Allein mit seiner Gitarre – Ed Sheeran in Köln.
Ed Sheeran trat in der ausverkauften Lanxess-Arena in Köln auf. Der 26-jährige Brite bestritt den Abend vor 17.000 Fans alleine mit seiner Gitarre.
Das ist ein faszinierendes Erlebnis, und womöglich kann man daran ablesen, wonach sich viele Menschen derzeit sehnen, was sie fühlen und wie sie ticken. Ed Sheeran tritt vor 17.000 Fans in der Kölner Lanxess-Arena auf. Der Brite ist der Star des Augenblicks, 16 seiner Lieder finden sich in den englischen Top 20. Er steht alleine auf der Bühne, er hat keine Band, die ihn stützt. Da ist nur der Junge mit seiner Gitarre. Es dauert zwei Akkorde, dann hat er die Halle im Griff: Er bringt „Castle On The Hill“, und die Leute, die zumeist zwischen 20 und 35 sind, singen mit, sie nehmen ihm den Song ab. Bei allen anderen Liedern passiert das gleiche.
Pop ist eine Kunstform, die den Alltag koloriert, im Pop kann man den Grenzübertritt wagen und von anderen Identitäten träumen, ohne den Bausparvertrag kündigen zu müssen. Der Popstar ist ein Stellvertreter, er öffnet Möglichkeitsräume, er weist den Weg ins Unbekannte, an seiner Hand wagt man sich in den Exzess. Der Popstar ist der Korrespondent für den Grenzbereich. Die Stones sind ja nicht deshalb noch immer so populär, weil sie zuletzt so viele tolle neue Lieder geschrieben haben. Sondern, weil sie ein Symbol sind für ein Leben, das man hätte leben können, wenn man sich getraut hätte. Und David Bowie war der Größte, weil er ständig andere Maskierungen wählte, um in der Verwirrung das Neue zu finden.
Insofern zeigt der Abend mit Ed Sheeran, dass eine Akzentverschiebung stattgefunden hat. Bowie stand auf der Bühne und sagte „Ich ist ein anderer“, Sheeran hingegen sagt: „Hier stehe ich und kann nicht anders“. In der Kunst des 26-Jährigen gibt es keine Überschreitung und kein Aus-der-Haut-Fahren. Viele seiner Lieder haben nicht mal Refrains, also kein Ventil, aus dem Spannung, Aggression oder Erregung entweichen könnte. Man kann seine Lieder zur Taufe spielen und zur Beerdigung, sie passen immer.
Sheeran ist der talentierte Star einer Zeit, die keine Ironie mag, sondern das Echte möchte. Sheerans Erfolg ist der Sieg der Erdverbundenheit über die Exaltiertheit. Sheeran ist der Junge, der zufällig da oben hingeraten ist. Er sagt in Köln, wie wahnsinnig er es finde, überhaupt Erfolg zu haben in Ländern, deren Landessprache nicht Englisch ist. Dass auch diese Unmittelbarkeit Inszenierung ist, nimmt man kaum mehr wahr.
Tatsächlich ist Sheeran ein unheimlich guter Handwerker. Zu Beginn jedes Stücks schlägt er einen Rhythmus auf den Korpus seiner Gitarre. Er speist ihn in Sampler und Sequencer ein und spielt das Aufgenommene in Endlosschleife ab. Dazu spielt er Gitarre, er begleitet sich selbst, er ersetzt eine Band. Er wechselt über rund zwei Stunden hinweg schnelle Stücke und Balladen ab, rappt und schmeichelt, und manchmal steigt er auf einen Bühnen-Monitor, weil er nicht mehr stillstehen kann.
In seinem Rücken steht ein turmartiges Gebilde, auf das er Filmchen projiziert. Sie sorgen für Dynamik, etwa wenn die Kamera in hohem Tempo eine Landstraße entlangfährt. Mehr Dekoration gibt es nicht, nur bei einem Stück lässt er sich vom Piano begleiten. Es ist das Lied, zu dem ein Paar in den vorderen Reihen sich verlobt, und dazu sagt Sheeran, dass das toll sei und ihm dieses Erlebnis bleiben werde – selbst wenn er keine CDs mehr verkaufen könne. Nach jedem Song wischt sich Sheeran den Schweiß aus dem Gesicht und trinkt Wasser. Das ist Arbeit, sagt diese Choreographie, und das ist echter Schmerz, der in den Liedern steckt. Deshalb schließt er die Augen beim Singen, stampft mit dem Fuß auf, verzieht das Gesicht.
Bowie flüchtete vor der Welt ins All, Sheeran bleibt irdisch. Er nimmt den Applaus lächelnd entgegen. Er spricht nicht über Politik. Er ist freundlich und schäkert gern. Er singt über Liebe und darüber, dass er sich als Sechsjähriger mal das Bein gebrochen hat.
Ed Sheeran ist der Popstar für jene, die sich eigentlich ganz wohlfühlen in ihrer Welt.
Sheeran ist der Junge, der zufällig da oben hingeraten ist. Dass das Inszenierung ist, nimmt man kaum mehr wahr