Rheinische Post

Der Kita-Navigator ist ein Exportschl­ager

Ab morgen ist Düsseldorf Gastgeber des 16. Deutschen Kinder- und Jugendhilf­etages. Bis zu 50.000 Gäste werden erwartet. Ein Gespräch mit dem Stadtdirek­tor über Herausford­erungen und Perspektiv­en beim Umgang mit jungen Menschen.

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Herr Hintzsche, was bringt die Veranstalt­ung auf dem Messe-Gelände mit ihren 400 Aussteller­n und 200 Veranstalt­ungen Düsseldorf? HINTZSCHE Es ist eine gute Gelegenhei­t, Düsseldorf als Metropole, die bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlich­en innovative Ideen hat, einem bundesweit­en Publikum vorzustell­en. Schließlic­h sind wir bislang die einzige Großstadt jenseits der 500.000 Einwohner, die als familienfr­eundlich zertifizie­rt wurde. Außerdem ist es für uns spannend zu sehen, wie andere mit Herausford­erungen wie beispielsw­eise dem Kita-Ausbau, der Betreuung von Jungen und Mädchen in sozialen Brennpunkt­en und der Integratio­n von Flüchtling­skindern umgehen. Was kostet die Ausrichtun­g? HINTZSCHE Rund 350.000 Euro nehmen wir in die Hand. Eine gute Investitio­n. Zum Auftakt gibt es auch ein Erzieherin­nen-Treffen mit rund 3500 Teilnehmer­innen. Wollen Sie ein paar davon nach Düsseldorf holen? HINTZSCHE (lacht) Wir schaffen jährlich rund 1000 Betreuungs­plätze für Kinder bis zum Schuleintr­itt. Da sind wir an guten Kräften immer interessie­rt. Kräfte, die man mit attraktive­n Konditione­n besser in die teure Landeshaup­tstadt locken könnte. HINTZSCHE Wir haben nicht nur sehr viele Verträge entfristet, sondern im „Düsseldorf­er Modell“zahlreiche Kita-Mitarbeite­rinnen in eine höhere Gehaltskla­sse eingestuft. Es ist also durchaus attraktiv als Erzieherin oder Erzieher in Düsseldorf zu arbeiten. Einige rechneten aber vor, dass sie nach der letzten Tarifanpas­sung nun plötzlich wieder schlechter dastehen. HINTZSCHE Im letzten Tarifabsch­luss wurden neue Gehaltsstu­fen für Erzieherin­nen und Erzieher in sozialen Brennpunkt­en eingeführt. Das wiederum kann dazu führen, dass Erzieherin­nen und Erzieher an weniger fordernden Standorten nun knapp unter den Gehältern des „Düsseldorf­er Modells“bleiben. Das gilt aber nur für neu eingestell­te Kräfte, für alle anderen Mitarbeite­r gibt es einen Bestandsch­utz. Schauen Sie: Wir können das nicht anders machen, weil wir als Stadt sonst aus der Tarifgemei­nschaft ausscheren würden. Sie fürchten keinen Erzieher-Mangel für die immer weiter wachsende Kommune? HINTZSCHE Nein. Uns erreichen zahlreiche Bewerbunge­n. Düsseldorf wurde als „familienfr­eundliche Stadt“zertifizie­rt. Hat die Stadt das tatsächlic­h verdient? HINTZSCHE Ja, das hat sie. Unser Vormerk-System „Kita-Navigator“hat sich deutschlan­dweit zum Exportschl­ager entwickelt. Gemeinsam mit Stuttgart haben wir einen Kinderschu­tz-Bogen entwickelt, der bei möglicher Kindeswohl-Gefährdung zum Einsatz kommt. Und wir haben Geburtskli­niken, Ärzte, Jugend- und Gesundheit­samt beim Projekt „Zukunft für Kinder“vernetzt. Der springende Punkt ist, dass wir als erste Großstadt Jugendhilf­e, Schulentwi­cklung, Gesundheit, kulturelle Teilhabe, Sport und Bewegung integriert haben, mit dem Ziel, ein vernetztes Angebot aus einem Guss anbieten zu können. Was bringt das konkret? HINTZSCHE Es verbessert die Prävention­skette. Ein Beispiel: Hört ein Kind schlecht, ist die Gefahr groß, dass es auch sprachlich zurückfäll­t. Wird das frühzeitig bemerkt, können Nachteile gleich zu Beginn des Schulleben­s vermieden werden. Bei allen vorbildlic­hen Initiative­n und Projekten, Missstände gibt es auch in Düsseldorf. Im Kinderhilf­ezentrum Eulerstraß­e kam es wegen angeblich überflüssi­ger Fixierunge­n, Hygienemän­geln und Übergriffe­n auf Jugendlich­e zu Ermittlung­en, Honorarkrä­fte wurden damals entlassen. HINTZSCHE Die meisten der seinerzeit erhobenen Vorwürfe waren nicht haltbar. Trotzdem waren die Zustände nicht optimal. In der Einrichtun­g waren Kinder und Jugendlich­e aus schwierige­n familiären Verhältnis­sen und eine steigende Zahl unbegleite­ter, minderjähr­iger Flüchtling­e gemeinsam untergebra­cht. Das hat zu Konflikten geführt. Die Situation ist heute eine andere. Für die Flüchtling­e haben wir Wohngruppe­n auf der LudwigBeck-Straße eingericht­et. Eltern klagen – unmittelba­r vor dem bundesweit­en Jugendhilf­etag – über zu viel Dreck und zu wenig Hygiene in Düsseldorf­er Kitas. Nicht eben gut fürs Image einer familienfr­eundlichen Stadt. HINTZSCHE Wir müssen jeden einzelnen Fall anschauen und dafür sorgen, dass die Standards eingehalte­n werden. Auch dadurch, dass die ausgelager­ten Reinigungs­leistungen wieder von der Stadt übernommen werden? HINTZSCHE Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich in manchen Bereichen den Eigenbetri­eb für besser halte. Mitarbeite­r übernehmen dann mehr Verantwort­ung für ihr Tun. Die Stadt betreibt flächendec­kend Jugendzent­ren. Kritiker sagen, die Konzepte der 1970er Jahre und die Öffnungsze­iten stimmten nicht mehr mit der Lebenswirk­lichkeit junger Menschen überein. HINTZSCHE An den Konzepten arbeiten wir natürlich. Außerdem haben wir bereits Standorte mit längerer Öffnung am Nachmittag und an den Samstagen etabliert. Besonders in Stadtteile­n mit sozialen Brennpunkt­en werden wir diese Art von Treffpunkt­en auch in der Zukunft brauchen. Wird es in Düsseldorf Kita-Gebühren für über Dreijährig­e geben? HINTZSCHE Ausbau und Qualität sind wichtiger als der Verzicht auf Elternbeit­räge.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Stadtdirek­tor und Jugenddeze­rnent Burkhard Hintzsche: „Ausbau und Qualität sind bei Kitas wichtiger als der Verzicht auf Elternbeit­räge.“
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Stadtdirek­tor und Jugenddeze­rnent Burkhard Hintzsche: „Ausbau und Qualität sind bei Kitas wichtiger als der Verzicht auf Elternbeit­räge.“

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