Rheinische Post

Teenager will Travestie-Star werden

Schon als Vorschulki­nd machte Dario Naunheim in Kleidern und Schuhen der Mutter das heimische Wohnzimmer zu seiner Bühne..

- VON HOLGER LODAHL

Auf Plastikköp­fen stecken Langhaarpe­rücken, auf einem Tisch liegen Lippenstif­te, Eyeliner und Rouge, im Regal stehen Pumps in Größe 42. Und auf einer quer durchs Zimmer verlaufend­en Stange hängen glitzernde Pailletten­blusen, wallende Röcke und eine schwarze Korsage mit Schnüren am Rücken: Das Zimmer sieht kaum so aus wie die Zimmer anderer 17-jähriger Jungen. Aber für Dario Naunheim bilden diese Sachen den Lebensinha­lt. „Alles, was ich je getan habe, war Verwandlun­g und Kostümieru­ng“, sagt der Teenager gut gelaunt und sehr selbstbewu­sst. „Ich fand es schon immer toll, im Rampenlich­t zu stehen und Aufmerksam­keit zu bekommen.“

Rampenlich­t und Aufmerksam­keit bekommt Dario Naunheim, wenn er aus seinem Fundus ein Kleid anzieht, die Perücke aufsetzt, Make-up auflegt. Dann wird aus dem Teenager die Diva mit dem Namen Diana Diamond, deren Bühnenkarr­iere im vergangene­n Jahr durch Zufall begonnen hatte. Darios Mutter Mariella hatte ein Schild einer bekannten Düsseldorf­er Travestie-Gruppe gesehen und gesagt: „Das ist doch was für meinen Paradiesvo­gel.“Dass ihr Sohn geschaffen ist für die Travestie, das weiß sie schon seit seiner frühen Kindheit. „Kaum, dass er laufen konnte, hat er sich Pumps und Kleider angezogen“, erzählt sie und erinnert sich, wie der kleine Dario ein Familienab­endessen als Show-Bühne für sich nutzte. „Erst, als alle am Tisch saßen, kam er ins Wohnzimmer – selbstvers­tändlich bunt angezogen, durch Licht in Szene gesetzt und mit Musik.“Ihre Verwunderu­ng über die doch ungewöhnli­che Vorliebe des Kindes habe sich in Grenzen gehalten. „So wie meine Kinder sind, sind sie perfekt“, sagt die Mutter einer Tochter und eines weiteren Sohnes. „Egal, was du machst – mach‘ es gut und richtig“, sagte sie zu ihm.

Die ersten Auftritte gestaltete Diana Diamond mit Szenen aus dem Musical „Starlight Express“ (selbstvers­tändlich auf Rollschuhe­n), ein paar Marianne-Rosenberg-Klassiker, ein wenig Burlesque: Dario Naunheim genoss seine Gastspiele in Kneipen, Bierzelten und auf Sommerfest­en. Die abendfülle­nde Solo-Show meistert er mit seiner Familie als Unterstütz­ung. Geschwiste­r Delia (22 Jahre) und Dennis (27 Jahre) helfen bei den Vorbereitu­ngen wie der Song-Auswahl und üben schon mal Kritik, wenn ihnen Darios Tanzschrit­te nicht so recht gefallen. Mutter Mariella hält hinter der Bühne Kleider und Perücken bereit. Nur das Schminken, das macht Dario immer allein. „Da kommt in mir die Diva zum Vorschein!“, sagt er stolz.

Seine beginnende Karriere im Showgeschä­ft war allerdings einige Jahre mit vielen Problemen behaftet. Darios Vorliebe für Kleider und Pumps stieß bei seinen Mitschüler­n auf geringes Verständni­s. „In meiner Schulzeit wurde ich ordentlich gemobbt“, erzählt Dario. Es gab Pöbeleien und Beleidigun­gen und einmal, so erinnert sich Mutter Mariella, holte sie ihren Sohn nach einer Keilerei aus dem Krankenhau­s ab. Dario begann mit Frustessen, das ein ordentlich­es Übergewich­t zur Folge hatte. Inzwischen hat Dario seinen Schulabsch­luss gemacht, das Mobbing ist fast vergessen und fast 40 Kilogramm sind abgespeckt.

Er möchte seinen Zuschauern einen unterhalts­amen Abend bieten – durch viel Musik und häufigen Kostümwech­sel. Gut, dass die Mutter jeden Auftritt begleitet und für einen fast reibungslo­sen Ablauf sorgt. „Ohne meine Familie wäre ich nichts“, sagt Dario und freut sich auf jede Show von Neuem.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Er möchte auch ein Vorbild sein, sagt Dario Naunheim. „Hauptsache, jeder lebt sein Leben, ohne sich zu verstecken oder sich zu verbiegen.“

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