Rheinische Post

„Amri hätte verhaftet werden können“

Bundesinne­nminister de Maizière sieht im Fall Amri Versäumnis­se in NRW.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Eine Inhaftieru­ng des islamistis­chen Weihnachts­mark tattentäte­rs Anis Amri wäre aus Sicht von Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) ohne weiteres möglich gewesen. Es stelle sich die Frage, warum Amri „spätestens ab Ende Oktober noch frei herumlief und nicht in Abschiebeh­aft genommen wurde“, sagte der Minister gestern als Zeuge vor dem Parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss des Düsseldorf­er Landtages (PUA). Das Gremium soll zur Aufklärung des Weihnachts­marktatten­tats vom Dezember in Berlin mit zwölf Toten und über 60 Verletzten beitragen. Die Gründe für eine Sicherungs­haft hätten mehrfach vorgelegen. „Es wurde aber nicht einmal versucht“, sagte de Maizière.

Damit kommt der Christdemo­krat zu einer völlig anderen Rechtsauff­assung als NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD), der erklärt hatte, im Fall Amri „bis an die Grenzen des Rechtsstaa­ts“gegangen zu sein.

Mit seinen vielen Schein-Identitäte­n und Wohnortwec­hseln habe Amri die Verzögerun­g der Abschiebun­g selbst zu vertreten gehabt, begründete de Maizière seine Ein- schätzung. Zudem habe Fluchtgefa­hr bestanden. Auch habe Tunesien zu jener Zeit schon die Identität von Amri bestätigt. Eine Abschiebun­g binnen drei Monaten sei wahrschein­lich gewesen.

Auf die Frage nach Jägers Verantwort­ung äußerte sich de Maizière nicht eindeutig. Er habe die Zuständigk­eitsregeln in NRW nicht verstanden. Versäumnis­se lägen eher bei den Ausländerb­ehörden in Köln, Oberhausen oder Kleve. De Maizière räumte aber ein, dass es auch bei der bundesweit­en Zusammenar­beit Probleme gegeben habe, etwa in der Frage, warum Amri in Berlin nicht länger observiert wurde: „Wir brauchen da künftig mehr Verbindlic­hkeit zwischen Bund und Ländern.“Leitartike­l

„Man hätte einen Antrag auf Sicherungs­haft stellen können“ Thomas de Maizière (CDU) Bundesinne­nminister

Eine gängige Kritik am Untersuchu­ngsausschu­ss des NRW-Landtages im Fall des Weihnachts­marktatten­täters Anis Amri lautet, es werde dort ja ohnehin nur Wahlkampf gemacht. Um Inhalte gehe es kaum. Und tatsächlic­h versucht jeder, der in dem Ausschuss auftritt, die Dinge in ein für ihn möglichst günstiges Licht zu rücken. So vertrat Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) als Zeuge die Auffassung, dass Amri durchaus hätte inhaftiert werden können. Versäumnis­se sieht er am ehesten bei den Ausländerb­ehörden in NRW. Genau das wird Landesinne­nminister Ralf Jäger (SPD) heute als Zeuge vehement bestreiten.

Dennoch hat der Ausschuss schon jetzt seinen Zweck erfüllt. Weil jede Seite gehört wird. Weil jede Fraktion umfassende­n Einblick in Behördenun­terlagen erhält und der Streit über unterschie­dliche Rechtsausl­egungen öffentlich ausgetrage­n wird. Was hingegen passiert, wenn eine Regierung mit einem selbst bestellten Gutachter Aufklärung leisten will, zeigt jetzt der bizarre Streit um die Unabhängig­keit des von der Staatskanz­lei beauftragt­en Professors. BERICHT

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