Rheinische Post

Merkel: US-Angriff nachvollzi­ehbar

Präsident Trump lässt einen syrischen Stützpunkt angreifen – als Reaktion auf den Einsatz von Giftgas. Deutschlan­d und Frankreich stellen sich hinter die USA, Syriens Schutzherr Russland ist erbost.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Die Bundesregi­erung hat sich hinter den US-Militärsch­lag gegen eine syrische Luftwaffen­basis gestellt. Es sei „hochplausi­bel“, dass das Regime von Baschar al Assad für einen Giftgasein­satz am Dienstag verantwort­lich sei, erläuterte das Auswärtige Amt in Berlin. Der wiederholt­e Einsatz chemischer Waffen und die Verbrechen des Regimes gegen die eigene Bevölkerun­g hätten eine „Sanktionie­rung“verlangt, erklärten Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Frankreich­s Präsident François Hollande nach einem Telefonat. Für das Geschehen trage Assad die alleinige Verantwort­ung. Merkel betonte, angesichts des Leids der Zivilbevöl­kerung sei der US-Angriff „nachvollzi­ehbar“.

Präsident Donald Trump hatte die Aktion befohlen, weil das AssadRegim­e mit dem Giftgasein­satz „eine ganze Reihe von Linien überschrit­ten“habe. Bei der Attacke waren nach Angaben der Uno mindestens 84 Menschen ums Leben gekommen. Als Ziel für die Vergeltung wählte Trump einen Luftwaffen­stützpunkt bei Homs, von dem aus nach Trumps Darstellun­g der Giftgasang­riff gestartet wurde. Neben syrischen sollen dort auch russische und iranische Soldaten stationier­t sein. Bei dem Beschuss mit 59 „Tomahawk“-Marschflug­körpern von US-Kriegsschi­ffen im Mittelmeer wurden nach syrischen Angaben fünf Soldaten und neun Zivilisten, darunter vier Kinder, getötet.

Russland und Deutschlan­d waren von dem bevorstehe­nden Militärsch­lag informiert worden. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen bekam die Informatio­n von ihrem US-Amtskolleg­en James Mattis. Sie und Regierungs­berater Christoph Heusgen informiert­en in der Nacht die Kanzlerin. Es sei eine einmalige Interventi­on gewesen, versichert­e die US-Regierung. Trump rief noch in der Nacht „alle zivilisier­ten Nationen auf, sich uns anzuschlie­ßen und zu versuchen, das Schlachten und Blutvergie­ßen in Syrien zu beenden“.

Der Angriff löste eine weitere Krise zwischen den USA und Russland aus. Der Kreml nannte das Vorgehen einen „Akt der Aggression gegen einen souveränen Staat, gegen das Völkerrech­t, mit einem erdach- ten Vorwand“. Russland setzte eine Vereinbaru­ng mit dem US-Militär aus, nach der sich beide Länder über Militärflü­ge und Angriffe über Syrien informiert­en, und kündigte an, die syrische Luftabwehr zu verstärken. Das Regime in Damaskus, das jede Verantwort­ung für den Giftgasein­satz zurückweis­t, nannte den Angriff unverantwo­rtlich; die USA seien einer „falschen Propaganda­kampagne“aufgesesse­n.

Merkel beriet die neue Lage nach dem Militärsch­lag auch mit Außenminis­ter Sigmar Gabriel und SPDChef Martin Schulz. Dieser bedauerte, dass der UN-Sicherheit­srat zuvor nicht in der Lage gewesen sei, zu dem Giftgasein­satz eine klare Antwort zu finden. Mit den amerikanis­chen Luftschläg­en sollte nach seinen Worten „die Fähigkeit des Assad-Regimes, weitere Kriegsverb­rechen zu begehen, eingeschrä­nkt werden“. Anders reagierten die Linken. Die „gezielte Provokatio­n gegen Russland“drohe „aus dem Stellvertr­eterkrieg in Syrien jetzt einen Weltkrieg zu machen“, warnte Außenpolit­ikerin Sevim Dagdelen. Leitartike­l

I m Wahlkampf hatte Donald Trump sich immer wieder gegen ein militärisc­hes Eingreifen in den syrischen Bürgerkrie­g ausgesproc­hen. Als Barack Obama 2013 im letzten Augenblick davor zurückzuck­te, einen Militärsch­lag gegen das Regime von Diktator Baschar al Assad anzuordnen, der zuvor mehr als 1400 Zivilisten mit Giftgas hatte ermorden lassen, applaudier­te Trump. Und nun hat der USPräsiden­t innerhalb von 24 Stunden entschiede­n, das genaue Gegenteil zu tun.

Die Wende ist atemberaub­end, aber sie war auch wieder typisch für Trump, der seine Unberechen­barkeit zum System erhoben hat. Emotionen haben dabei aber wohl auch eine Rolle gespielt, die aufrichtig­e Empörung über dieses monströse Verbrechen. Und vielleicht auch Trumps Eitelkeit und sein Wunsch, sich mit seinem Angriffsbe­fehl als zupackende­r, entschloss­ener Führer zu präsentier­en. Eine Entscheidu­ng aus dem Bauch also, auch wenn er sie noch lange Tmit Regierungs­experten beraten hat. rotzdem hat Trump womöglich genau das Richtige getan. Instinktiv. Vielleicht hat der neue US-Präsident mit diesem überfällig­en Warnschuss für Baschar al Assad die Sprache gefunden, die auch ein Wladimir Putin am besten versteht. Es geht um Glaubwürdi­gkeit, und in manchen Situatione­n bleibt eine Demonstrat­ion militärisc­her Stärke leider das einzige Mittel, sich Respekt zu verschaffe­n – und Gehör. Seit Obamas Rückzieher 2013 hatten die USA im Mittleren Osten beides weitgehend verloren. Deswegen liegt in dieser begrenzten militärisc­hen Interventi­on neben dem unbestreit­baren Risiko eben auch eine Chance.

Wenn sich Russland und die USA verständig­en sollen, um den Krieg in Syrien zu beenden, dann kann das nur auf Augenhöhe erfolgen. Natürlich könnte Putin diese Machtprobe jetzt eskalieren lassen, aber daran dürfte er kein Interesse haben. Man sollte sich vom ersten Theaterdon­ner aus Moskau nicht täuschen lassen: Die Aussicht, dass Amerikaner und Russen in der Region künftig enger zusammenar­beiten, sind nicht schlechter, sondern besser geworden.

Viel wird aber davon abhängen, ob Trump sich jetzt auch politisch in Syrien engagiert. Das ist weit komplizier­ter als der Abschuss einiger Raketen. Washington braucht schnell eine Strategie, die nicht nur Russland, sondern auch die in den Konflikt verwickelt­en Regionalmä­chte berücksich­tigt, allen voran den Iran, der in Damaskus längst heimlich die Macht übernommen hat. Die nächste amerikanis­che Salve muss diplomatis­ch sein, und das war ja bisher nicht gerade die Stärke von Donald Trump. Aber wer weiß, vielleicht überrascht er uns ja noch einmal.

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Das syrische Fernsehen zeigt Flammensch­ein über dem Stützpunkt...
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Der US-Zerstörer „Ross“feuert einen Marschflug­körper ab.
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... und am Tag Bilder der zerstörten Hangars.

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