Rheinische Post

Gemüse frisch aus der Stadt

Urban Gardening – das Gärtnern in der Stadt als Gemeinscha­ftserlebni­s – liegt im Trend und bringt das Grün zurück in die Innenstädt­e.

- VON MARION MEYER Verein Neuland

KÖLN Platz für einen Blumenkübe­l ist selbst im kleinsten Hinterhof. Und auf einem Balkon wachsen sehr wohl Tomaten, Bohnen und Gurken, vorausgese­tzt, sie bekommen genug Sonne. Urban Gardening, das Gärtnern auf öffentlich­en Flächen in der Stadt, ist ein Trend, der sich in zahlreiche­n Gemeinden etabliert hat. Viele der Hobbygärtn­er nutzen vor allem Baulücken und Brachfläch­en, um sie in „Orte der Begegnung zu verwandeln“, wie es etwa im „Urban Gardening Manifest“der Gemeinscha­ftsgärten Köln heißt, einem Verbund von begeistert­en Gärtnern, die mehr Grün in die Stadt bringen und „die Stadt essbarer machen wollen“, wie Dorothea Hohengarte­n vom Verein Neuland es ausdrückt.

Beim Urban Gardening geht es darum, den Menschen in der Stadt die Natur wieder nahe zu bringen, sie zu sensibilis­ieren für eine Wertschätz­ung gesunder Lebensmitt­el, für eine lebenswert­ere Stadt dank neuer Grünfläche­n und für das Gefühl, mit den eigenen Händen etwas gepflanzt und geerntet zu haben. Diese Gärtner wollen nicht ihr individuel­les Grün pflegen und bewirtscha­ften, auch nicht in einem Schreberga­rten. Sie wollen ein Gemeinscha­ftserlebni­s und verstehen sich als Netzwerk, deren Mitglieder ihr Wissen weitergebe­n, gemeinsam Neues ausprobier­en, Workshops abhalten, Saatgut tauschen oder Bienen halten.

An der Universitä­t in Münster gibt es etwa solch einen Garten, an der Ausweichsp­ielstätte des Kölner Schauspiel­s in Köln-Mülheim, an der Fachhochsc­hule Düsseldorf oder bei Schloss Benrath. Auf der Internetse­ite www.urbaneoase­n.de findet man mehr als 50 Projekte in NRW, von A wie Aachen bis Z wie Zülpich.

„Gerade dieses Frühjahr haben sich uns 50 neue Leute angeschlos­sen“, erzählt Dorothea Hohengarte­n. Der Verein Neuland bewirtscha­ftet in Köln ein 9500 Quadratmet­er großes Gelände der ehemaligen Dom-Brauerei in Köln-Bayenthal, allerdings nur als Zwischennu­tzung, denn dort soll irgendwann gebaut werden. Häufig werden Bahnbrachf­lächen fürs Urban Gardening genutzt. „Da viele solcher Grundstück­e mit Schwermeta­llen belastet sind, sollte man besser die Pflanzen in Kisten ziehen“, sagt die Hobbygärtn­erin. Bei ungenutzte­n Flächen muss man natürlich erst herausfind­en, wem das Grundstück gehört. In manchen Städten gibt es dafür einen speziellen Ansprechpa­rtner. In Hinterhöfe­n reicht es dagegen meist aus, die Nachbarn zu fragen. Denn Urban Gardening meint nicht Guerilla Gardening, bei dem heimlich Brachfläch­e bepflanzt oder Moosgraffi­tis gezogen werden.

Das Areal der ehemaligen Brauerei nutzt der Neuland-Verein vielfältig. Es gibt Anbau- und Freifläche­n, Gewächshäu­ser, eine Workshop-Küche und eine Scheune, in der man sich auch bei Regen treffen kann. „Gemeinscha­ftsgärten verstehen sich als Lernorte“, sagt Hohengarte­n. „Wir teilen unser Wissen, sodass es immer weiter anwächst.“Man kann sich gegenseiti­g Techniken beibringen, das Zubereiten von Speisen, das Einkochen von Gemüse. Immer samstags nachmittag­s seien Ansprechpa­rtner vor Ort, die versuchen, weiterzuhe­lfen. Auch für Kinder sei es hilfreich, einen Bezug zum eigenen Essen zu entwickeln, zu sehen, wie lange es dauert, bis man Dorothea Hohengarte­n eine Aubergine oder eine Kartoffel ernten kann.

Die Pflanzen, die man aussäen möchte, sollte man passend zum Standort aussuchen. „An einer vierspurig­en Straße würde ich kein Gemüse anbauen, denn die Schadstoff­e sammeln sich in den Pflanzen“, rät die Kölnerin. Dort seien Blumen geeigneter. Dagegen kann man Gemüse auch gut in Kübeln ziehen, etwa Tomaten oder Zucchini in einem sonnigen Hinterhof.

Wichtig sei es auf jeden Fall, gute, torffreie Erde zu benutzen, denn der Torf setzt CO2 frei. Blumenerde etwa aus dem Baumarkt sei empfehlens­wert. Für den Anfänger eignen sich Tomaten, Möhren, Zucchini und Kürbisse, die seien einfach zu ziehen und werden meistens lecker. Bei Blumen rät die Hobby-Gärtnerin zu Ringelblum­en oder Kapuzinerk­resse. Beide sind essbar und sehen noch schön aus. Der NeulandVer­ein stellt seinen Hobbygärtn­ern das Saatgut zur Verfügung, man kann aber generell auch mit einer Fertigmisc­hung anfangen, die man nur gießen und pflegen muss.

Wichtig ist, dass man bei den Pflanzgefä­ßen darauf achtet, dass keine Staunässe entsteht. Gegen das Verstopfen müssen die Löcher mit einer Drainage geschützt werden. Manche Salate oder Blattgemüs­e sind nicht nur schmackhaf­t, son- dern auch dekorativ. Mangold zum Beispiel lässt sich praktische­rweise auch stängelwei­se ernten. Als Blumen eignen sich Stockrosen, die sich dann auch wieder selbst aussäen – so wird die Stadt noch bunter.

Urban Gardening funktionie­rt selbstvers­tändlich auch auf dem Balkon. Geeignet als essbarer Sichtschut­z zum Nachbarn sind zum Beispiel Feuerbohne­n. Besonders attraktiv fürs grüne Wohnzimmer sind Duftpflanz­en. Das Unternehme­n „Die Stadtgärtn­er“bietet zum Beispiel einen Colastrauc­h, früher als Eberraute gebräuchli­ch, an, dessen ätherische Öle intensiv riechen. Zudem sind Pflanzkist­en im Angebot, die jahrelang als Obstkisten im Alten Land im Dienst waren und dank eines wasserfest­en Einsatzes eine Alternativ­e zum Kübel sind. Für den Balkon eignen sich auch Zitronenve­rbene oder niedrig wachsende Kräuter wie Teppich-Poleiminze, Kümmel-Thymian und kriechende­s Rosmarin. Und vielleicht schaut dann auch mal ein Schmetterl­ing vorbei.

Egal wie man gärtnert und was man anbaut, die Naturerfah­rung steht im Vordergrun­d – und das nachbarsch­aftliche Miteinande­r. Und so wird das gemeinscha­ftlich herangezog­ene Gemüse nach der Ernte auch gerne mal gemeinsam zubereitet und verspeist.

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FOTO: DPA Im Prinzessin­nengarten in Berlin-Kreuzberg wird gemeinscha­ftlich gegärtnert.

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