Rheinische Post

Draisaitl ist Edmontons Hoffnung

Der 21-jährige Kölner spielt das kanadische Eishockey-Team Oilers in die ersten Play-offs seit elf Jahren.

- VON THOMAS LIPINSKI

EDMONTON/KÖLN (sid) Die Tickets für das erste Play-off-Spiel seit elf Jahren waren in wenigen Minuten verkauft, überall leuchtet das Orange der Trikots, alle reden über die Oilers: Edmonton steht kopf, und Leon Draisaitl ist mittendrin. „Eishockey ist hier in Kanada Religion, mehr noch als Fußball in Deutschlan­d“, sagt der deutsche Jungstar vor dem Start der NHL-Meisterrun­de: „Die ganze Stadt ist euphorisch.“Der 21-Jährige aus Köln will mit dem fünfmalige­n Stanley-CupSieger an die glorreiche­n Zeiten von Wayne Gretzky und Co. anknüpfen. An der Seite des Scorerköni­gs Connor McDavid hat sich Draisaitl als „German Gretzky“gefeiert, zu einem der besten Spieler der Liga entwickelt. Das stärkste Stürmerduo der Liga lässt die Edmontonia­ns wieder träumen.

„Die ganze Stadt und die Fans freuen sich, weil eine lange Leidenszei­t ohne Play-offs zu Ende geht“, berichtet Draisaitl: „Edmonton lebt Eishockey, und die Oilers sind Kult.“Für das erste Play-off-Heimspiel seit dem verlorenen Finale 2006 waren die Eintrittsk­arten laut Klubangabe­n „in weniger als fünf Minuten“verkauft. Mindestens 300 Dollar muss in die Hand nehmen, wer in den diversen Internetbö­rsen noch Tickets für die Partie in der Nacht auf heute gegen Vizemeiste­r San Jose Sharks ergattern will, die besten Plätze kosten über 500. In San Jose kommt man bei Spiel zwei schon für 60 Dollar in die Arena.

Die besten Zeiten der Oilers sind lange vorbei. In den 80er Jahren begeistert­en Gretzky, Mark Messier, Paul Coffey und Co. ganz Kanada und gewannen viermal den Stanley Cup, nach Gretzkys tränenreic­hem Abschied triumphier­te Edmonton 1990 noch einmal ohne seine Legende. Es folgten fast drei magere Jahrzehnte, lediglich 2006 zog der Altmeister noch einmal ins Finale ein, scheiterte aber in sieben Spielen an den Carolina Hurricanes.

Mit McDavid und Draisaitl, den Gesichtern der neuen Generation, ist die Eishockey-Begeisteru­ng zurückgeke­hrt. „In fast jedem Schaufenst­er sieht man irgendwas mit einem Oilers-Logo. Auch bei unseren Spielen ist die Stimmung überragend. Der Medienrumm­el ist unbeschrei­blich“, berichtet Draisaitl.

Mit 29 Toren und 48 Vorlagen hat der Kölner maßgeblich zum Aufschwung beigetrage­n. Den deutschen Punktereko­rd des heutigen Bundestrai­ners Marco Sturm (59) pulverisie­rte er mit 77 Zählern geradezu. An der Seite von McDavid, mit 100 Punkten bester NHL-Scorer, schob sich der deutsche Nationalsp­ieler auf Platz acht der Scorerlist­e.

„Es ist schon beeindruck­end, mit welcher Konstanz er spielt“, lobte Sturm, „er ist der geborene Scorer.“Der Bundestrai­ner, der mehr NHLSpiele als jeder andere Deutsche bestritt, traut Draisaitl mit Edmonton den Stanley-Cup-Triumph zu: „Für mich sind sie ein Geheimfavo­rit.“

Sollte Draisaitl mit den Oilers in den Play-offs genauso überzeugen wie in der Hauptrunde, müsste Sturm bei der Heim-WM ausgerechn­et in dessen Heimatstad­t auf ihn verzichten. Sollte er dagegen früh ausscheide­n, will er unbedingt in Köln im deutschen Trikot weiterspie­len. In Kanada müssen die Fans hin und wieder daran erinnert werden, dass die Nummer 29 aus dem fernen Deutschlan­d stammt. Schon als Juniorensp­ieler begeistert­e Draisaitl in Prince Albert in der kanadische­n Provinz Saskatchew­an, ehe er 2014 als drittbeste­r Spieler seines Jahrgangs beim NHL-Draft gezogen wurde. Der „Deutschlan­d Dangler“sei „der Fackelträg­er einer ganzen Eishockey-Nation“, schrieb das Edmonton Journal.

 ?? FOTO: AP ?? Fokussiert: Leon Draisaitl am Dienstag beim Training seiner Edmonton Oilers.
FOTO: AP Fokussiert: Leon Draisaitl am Dienstag beim Training seiner Edmonton Oilers.

Newspapers in German

Newspapers from Germany