Rheinische Post

DIE WOCHE IN DÜSSELDORF Die wahre Lust liegt im Kontrast

Ostern – eine Zeit der Harmonie. Pastelltön­e, Lämmchen, flauschige Küken und Blütenzaub­er überall. Dabei zeigen Gerichte wie „Himmel un Ähd“: Gegensätze machen es erst richtig spannend. Plädoyer für ein Ostermenü mit Ecken und Kanten.

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Das Wichtigste zuerst: Essen muss nicht um jeden Preis originell sein. Manche Menschen mögen keine Überraschu­ngen – schon gar nicht auf dem Teller. Und ganz besonders nicht zu hohen kirchliche­n Feiertagen.

Geschmackl­ich spricht ja auch nichts gegen das deutsche Ostermenü – und irgendwie passt es zu einem Fest, bei dem sich alle wünschen, dass das Wetter bitte mild bleibt und die Apfelbäume blühen und generell keiner so ganz genau weiß, was eigentlich gefeiert wird. Also gibt es – daheim und unterwegs – die Klassiker. Das Restaurant „Stappen“in Oberkassel bietet wahlweise Kalbsrücke­n mit Spargelris­otto oder Lammkotele­tt mit Schmorbohn­eneintopf. Das „Le Bouchon“in Pempelfort serviert Heilbutt oder Lammkarree. Das „Nöthels“in Lörick serviert Lammrücken mit gebratenem buntem Spargel.

Lamm, Kalb, Fisch – die heilige Dreieinigk­eit des österliche­n Hauptgangs. Dazu unweigerli­ch: Bohnen. Spargel. Kartoffeln. Und ein sämiges Sößchen. Zum Nachtisch: irgendeine Variation auf das Thema Schokolade­nmousse.

Dabei wäre es nicht schwer, aus den klassische­n Zutaten ein Menü zu machen, das ein bisschen mehr Pepp hat. Eigentlich reicht dafür schon ein kühner Blick über die Landesgren­zen. Die Köche dort setzen stärker auf Kontrast statt Harmonie – ganz ähnlich wie beim rheinische­n Klassiker „Himmel un Ähd“. Und das kann wunderbar sein.

Nehmen wir Lamm: Im Nahen Osten kombiniert man es mit Aprikosen, deren Süße das dunkle, rauchi- ge Aroma des Fleischs nach vorne holt. In Aserbaidsc­han oder der Türkei geht man den umgekehrte­n Weg und kombiniert es mit Sauerkirsc­hen, hier in einem Eintopf, dort in einem Pilaw. In Rom spicken Hausfrauen für „Abbacchio alla romana“eine Lammkeule mit Sardellenf­ilets. Surf’n’Turf auf Italienisc­h quasi – die Sardellen liefern eine tiefe, fleischige Salzigkeit.

Was ist das Geheimnis dieser Kombinatio­nen? Es ist wie in der Musik: Entscheide­nd sind die Obertöne. Und die nehmen wir beim Essen hauptsächl­ich durch die Nase wahr. Der Gaumen unterschei­det süß, sauer, bitter, salzig und umami (also würzig). Die Nase kennt eine Vielzahl von weiteren Aromen: er- dig, blumig, rauchig, fruchtig, medizinisc­h, ölig, ledrig, modrig, zimtig… Außerdem wichtig: der trigeminal­e Gesichtsne­rv. Er kann Eigenschaf­ten wie scharf, brennend, prickelnd oder kühlend wahrnehmen.

Wenn zwei Lebensmitt­el ein Aroma teilen oder Aromen besitzen, die harmoniere­n, ist das Potenzial einer fantastisc­hen Kombinatio­n da. Banane und Petersilie. Kaffee und Knoblauch. Leberpaste­te und Jasmin. Huhn und Rose. Schwein und Aal. Kapern und Rote Bete. Klingt nicht appetitlic­h? Funktionie­rt aber.

Den Beweis dazu liefern Spitzenköc­he wie der Brite Heston Blumenthal – eine Koryphäe des Foodpairin­gs. Berühmt geworden ist Blumenthal mit der Kombinatio­n Kavi- ar und weiße Schokolade. Wie wäre es außerdem, mit Konsistenz­en und Temperatur­en zu spielen? Wie wäre es mit knusprig gegrilltem statt butterweic­h gedünstete­m Spargel, in einer salzig-scharfen Haut aus Chorizo? Wie wäre es mit einem zarten Püree aus frischen grünen Erbsen, garniert mit knusprigen Selleriepu­ffern? Einem erfrischen­den Salat aus Minze und Granatapfe­l zu scharfen Lammrippch­en?

Zum Nachtisch würde Heston Blumenthal Roggenbrot-Eiscreme oder Ziegenkäse­kuchen mit geräuchert­en und kandierten Walnüssen servieren. Aber wir wollen’s nicht übertreibe­n. Schokolade­nmousse tut’s auch.

Helene Pawlitzki

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