Rheinische Post

So war das Fasten

Sieben Wochen haben die RP-Redakteure Nicole Lange und Christian Herrendorf gefastet. Sie verzichtet­e auf Alkohol und alle Tierproduk­te, er auf Fleisch und Süßigkeite­n.

- VON NICOLE LANGE VON CHRISTIAN HERRENDORF

Wie schwierig war das Fasten? Es war vor allem anders als gedacht. Der Verzicht auf Alkohol tat an einigen geselligen Abenden weh, an denen guter Wein getrunken wurde und ich mich ab der zweiten Rhabarbers­chorle etwas verloren fühlte. Aber es irgendwie auch gut fand, mit dem eigenen Auto nach Hause fahren zu können. Das vegane Leben ohne Milch, Käse, Eier und Fleisch fühlte sich sogar gut an.

Natürlich nicht beim Ausgehen! Da musste man vorher mühsam recherchie­ren, ob das Lokal etwas Passendes führt, oder ich habe zäh mit Kellnern verhandelt, welches Gericht man „veganisier­en“kann. Parmesan obendrauf weglassen geht ja gut. Ist in einer Soße aber Sahne verarbeite­t, lässt sich nichts machen. Am Ende habe ich mehrfach schlicht Pommes gegessen. Was ich übrigens prima fand.

Zuhause war das vegane Leben oft eine Bereicheru­ng. Es gab leckere und reichhalti­ge Currys mit exotischen Gewürzen und Gemüse, mit Hülsenfrüc­hten und manchmal Tofu. Ich habe Pasta mit Gemüsesauc­en zubereitet, bunte Eintöpfe und sogar Pizza. Mit pürierten Cashewkern­en statt Käse, was weit besser schmeckt, als es klingt. Statt Wurst und Käse sind viele Avocados auf meinen belegten Broten gelandet, und meine veganen Waffeln waren, glaube ich, auch ganz prima. Fleisch hat mir eigentlich nie gefehlt, auf Käse habe ich mich zum Schluss aber doch wieder sehr gefreut. Und auf – endlich – wieder echte Milch im Kaffee! Wie oft geschummel­t? Tatsächlic­h so gut wie nie. Es gab diesen Nachmittag mit Freundinne­n im Café, als ich sehr hungrig auf meinen veganen Schoko-Birnen-Kuchen (ein Traum!) wartete. Den Cappuccino mit Mandelmilc­h hatte ich da schon bekommen, mit einem Keks. Ich habe einfach zugegriffe­n und nicht gefragt, ob der nun auch ohne Kuhmilch und Butter ist.

Und es gab diesen ohnehin eher kargen Salat, den ich in einem Restaurant als einziges Gericht bestellen konnte. Als er gebracht wurde, sah das Dressing (ich hatte zu fragen vergessen) verdächtig nach Sahne aus. Aber runterkrat­zen wäre wirklich nicht gegangen. Was nehme ich als Fazit mit? Ich habe die Bedeutung vor allem von Fleisch und Eiern in meinem Speiseplan überschätz­t: Es geht auch mal gut ohne – und aus ethischen Gründen (Tierwohl) ist es die Mühe wert. Wie weitgehend ich künftig verzichten möchte, muss ich in den nächsten Wochen sorgsam ausloten. Für die Ostertage ist jedenfalls erstmal ein Dessert mit Sahne und Quark geplant, aber ich habe mich beim Einkaufen ertappt, wie ich im Geiste das Rezept vegan abwandelte. Ach so: In den Kaffee kommt definitiv wieder echte Milch. Wie schwierig war das Fasten? Für den schwierigs­ten Moment hat meine Schwiegerm­utter gesorgt: Mitten in der Fastenzeit brachte sie frische Maultasche­n vom Metzger Schäfer aus Remseck am Neckar mit.

Im Übrigen war der Verzicht auf Fleisch überrasche­nd einfach. Als ich vor wenigen Jahren Fleisch gefastet habe, litt ich unter akuter kulinarisc­her Langeweile. Mittlerwei­le bieten viele Restaurant­s vegetarisc­he Gerichte an, die nicht nur aus Tomaten und Mozzarella bestehen. Und auch die Kochbücher zum Thema sind deutlich spannender geworden.

Der Verzicht auf Süßigkeite­n war hingegen die Hölle. In den ersten drei Wochen sendete mein Magen an jedem Nachmittag herzerweic­hende Hilferufe, ohne Zucker sei an Weiterarbe­iten nicht zu denken, signalisie­rte er. Ich habe es mir allerdings auch extra schwergema­cht und sogar Marmelade und limonadeha­ltige Getränke gestrichen. In der zweiten Hälfte der Fastenzeit zeigte sich dann ein anderes Phänomen. Meine Tochter öffnete mehre- re Meter von mir entfernt eine winzige Tüte Gummibärch­en, die ich riechen konnte, als hinge sie unter meiner Nase. Bei einem Pressegesp­räch stellte jemand netterweis­e Muffins auf den Tisch, deren Geruch ich kaum ertragen konnte. Vor der Fastenzeit hätte ich die Muffins mal eben eingeatmet. Wie oft geschummel­t? Drei Mal. Zu Beginn der Fastenzeit habe ich bei Freunden gedankenve­rloren mit Schokolade umhüllte Nüsschen gemümmelt, bis mir auffiel, was ich da tue. Einmal habe ich ebenso unbedacht einen Keks verputzt, der zum Kaffee serviert wurde. Und beim Grünkohles­sen auf dem Carlsplatz habe ich die Speckstück­chen nicht aus dem Gemüse geangelt. Was nehme ich als Fazit mit? Ich habe auf Süßigkeite­n und Fleisch verzichtet, um zu schauen, ob und wo ich Dinge im Überfluss konsumiere. Das traf auf beides zu, deshalb soll es nach der Fastenzeit nicht mehr so werden wie früher.

Von Zucker war ich offensicht­lich regelrecht abhängig. Ich freue mich sehr auf die Rückkehr von Kuchen in mein Leben, hoffe aber, dass ich erkenne, wann ich aus Langeweile oder Sucht zu Süßkram greife, und dass ich es dann lasse.

Mit dem Fleisch möchte ich es künftig halten, wie ich es mit Fisch mache. Ich schätze, dass ich etwa drei bis fünf Mal im Monat Fisch esse: Sorten, die ich bewusst aussuche und die ich mit Hilfe eines Rezepts zubereite, das mindestens interessan­t klingt, oder Sorten, die ich auf Planken auf den Grill lege. Den Speck werde ich auch weiter im Grünkohl lassen. Und Schwiegerm­utter-Besuche werden statistisc­h nicht erfasst.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Auberginen statt Fleisch, Rosinen statt Schokolade: Nicole Lange und Christian Herrendorf haben sieben Wochen lang auf vieles verzichtet.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Auberginen statt Fleisch, Rosinen statt Schokolade: Nicole Lange und Christian Herrendorf haben sieben Wochen lang auf vieles verzichtet.

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