Rheinische Post

Theresa May will Briten am 8. Juni neu wählen lassen

- VON MATTHIAS BEERMANN BERICHT THERESA MAY WILL BRITEN AM 8. JUNI . . ., TITELSEITE

LONDON (rtr) Ein Jahr nach dem Brexit-Votum werden die britischen Wähler erneut an die Urnen gerufen. Premiermin­isterin Theresa May kündigte gestern überrasche­nd an, bereits am 8. Juni das Unterhaus neu wählen zu lassen. Eigentlich stand dies erst 2020 an. Die Konservati­ve will sich vor den Scheidungs­verhandlun­gen mit der EU von den Wählern den Rücken stärken lassen. Nur mit Neuwahlen könne dem Land in den kommenden Jahren Stabilität gewährleis­tet werden, sagte May. Umfragen zufolge dürften die Tories die Wahl gewinnen und Sitze hinzugewin­nen. Schon heute will May das Parlament über die Neuwahl abstimmen lassen.

Seit neun Monaten ist Theresa May britische Premiermin­isterin, als Nachfolger­in des über das Brexit-Referendum gestolpert­en David Cameron. Seither musste sie mit dem Vorwurf leben, den EU-Austritt ohne eigenes Mandat des Volkes zu exekutiere­n. Trotzdem hatte May vorgezogen­e Neuwahlen stets ausgeschlo­ssen. Nun soll es sie plötzlich doch geben. Man möchte May gerne abkaufen, dass sie das Land damit vor den Brexit-Verhandlun­gen einigen will, aber man fragt sich, warum sie die Briten dann nicht an die Urnen gerufen hat, bevor die Scheidung in Brüssel eingereich­t wurde.

In Wirklichke­it steckt reiner Opportunis­mus hinter Mays Schritt. Für ihre Tories ist der Augenblick günstig, ihre Mehrheit im Parlament auszubauen. Die Opposition gibt ein Bild des Jammers ab, was unter anderem auch daran liegt, dass der irrlichter­nde Labour-Chef Jeremy Corbin sich beim Brexit nicht zu einer klaren Haltung durchringe­n kann. Bevor den Wählern der schmerzhaf­te Preis für den EU-Austritt wirklich klar wird, sollen Fakten geschaffen werden. Es geht um Machtsiche­rung, das ist die Wahrheit.

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