Rheinische Post

Das bewegte Leben des Günter Kohnen

Willi Grigor hat die Geschichte des Oberbilker Originals, Heino-Freundes und Uwe-Seeler-Fans aufgeschri­eben.

- VON MARC INGEL

OBERBILK Günter Kohnen, in Oberbilk gerne auch „Peppo“genannt, und Willi Grigor waren echte Kumpel. Als Grigor der Liebe wegen nach Schweden umzog, pflegten die beiden ihre Jugendfreu­ndschaft 40 Jahre intensiv aus der Ferne. Vor fünf Jahren starb Kohnen nach langem Kampf gegen die Parkinson-Krankheit. Noch zu dessen Lebzeiten schrieb Grigor die Geschichte des Oberbilker Originals auf.

Sie beginnt 1945, als Günter mit seiner Mutter und den beiden Brüdern zurück aus Ostdeutsch­land wieder in die kleine Dachzimmer­wohnung an der Flügelstra­ße zieht, der Vater kommt nicht aus dem Krieg zurück. Die Mutter schrubbt als Hilfskraft in der Brauerei Schumacher an der Oststraße die Holztische, um ihre drei Jungs durchzubri­ngen. 1951 zieht Grigors Familie in das Nebenhaus an der Flügelstra­ße. Günter ist vier Jahre älter, doch beim Fußballspi­elen auf der Ballonwies­e im Volksgarte­n (und beim Biertrinke­n) kommen er und Willi sich näher.

Einer der besten (Schul-)Freunde von Günter ist ein gewisser Heinz Georg Kramm, besser bekannt als Heino. Der wohnt auf der Kirchstraß­e, beide kicken bei Schwarz-Weiß 06. Heinz Georg sammelt erste musikalisc­he Erfahrunge­n, als er mit zwei Mitstreite­rn durch die Straßen zieht und aus Spaß an der Freud Lieder trällert. Hausfrauen öffnen die Fenster und jubeln ihnen zu. Mehr noch sind die Jungs aber neidisch auf Heinz Georgs Lehrstelle beim Bäcker Voss auf der Linienstra­ße, ist er doch so ständig in der Nähe der hübschen Bäckerstoc­hter.

Günter beginnt seine Lehre an der Total-Tankstelle an der Stresemann­straße, da geht er noch zur Schule. Er ist beliebt, bekommt viel Trinkgeld, die Tankstelle wird zum Treffpunkt der Clique. 1962 reift die Idee, genau dort eine „Thekenmann- schaft“zu gründen. Das Team wird nach dem Mineralöl-Anbieter der Tankstelle FC Total 62 genannt. Günters Freundin Sonja (die wohlhabend­e Schweizeri­n fährt einen Mercedes 190 SL, der an der Tankstelle repariert wird) spendiert die Trikots – Schwarz-Weiß wie die der Nationalma­nnschaft und mit richtigen Rückennumm­ern. Siege wie Niederlage­n werden am Tresen der Kneipe Zum Fässchen in Oberbilk ausgiebig begossen. Günter wie Willi sind extrem sportbegei­stert. Neben Fußball spielen beide auch Tennis, besuchen die Begegnunge­n der Fortuna und der DEG. Günter geht zusätzlich in die „Muckibude“, schwimmt, fährt Fahrrad. Dennoch neigt er ein wenig zur Wampe. Essen und Trinken fordern ihren Tribut. Er wechselt später zunächst die Tankstelle (zur Derendorfe­r Straße) und dann ganz die Branche (Angestellt­er bei einem Blumenlief­eranten).

1971 lernt Günter seine große Liebe Heidi kennen. Er ist 32 Jahre alt, wohnt aber immer noch bei seiner Mutter. Wobei wohnen heißt: Er kommt irgendwann in der Nacht nach Hause, machte sich etwas zu essen und schläft einige Stunden, bevor er sich dem nächsten Tag stellt. Jetzt bezieht das Paar zusammen eine kleine Dachwohnun­g. Und Heidi gelingt es, Günter „umzuerzieh­en“. 1972 wird geheiratet – und mehrfach umgezogen. Sie reisen viel, sind ungebunden, haben keine Kinder. Sie lernen Prominente wie Rosi Mittermaie­r und Christian Neureuther kennen, Günter hat jedes Mal ein Sechserpac­k Schumacher Alt für Rosis Vater mit dabei.

Plötzlich ist Günter arbeitslos. In der Rheinische­n Post liest er von einer Stellenanz­eige: Die Banque Nationale de Paris in Düsseldorf sucht einen flexiblen Mitarbeite­r für Aufgaben wie Postvertei­lung oder Einkäufe und als Chauffeur. Das Vorstellun­gsgespräch findet im Steigenber­ger Park-Hotel an der Kö statt, Bankchef und Tankwart sind sich sofort sympathisc­h, Günter sticht seine 37 Konkurrent­en locker aus. Es wird Günters dritte Karriere, mit seinem Boss ist er oft in Paris, der Oberbilker Jong genießt das Leben. Er bleibt bis zur Rente.

Ein Kapitel fehlt allerdings noch: die Freundscha­ft von Günter zu Uwe Seeler. 1966 sehen sie sich zusammen das Spiel der Fortuna gegen den HSV in Hamburg an. Willi ist perplex, als Günter die Fußballiko­ne anruft und sich bei ihm einlädt. „Uns Uwe“empfängt die Düsseldorf­er in seinem Haus. Wie sich herausstel­lt, ist Günter noch mit weit mehr Sport-Prominenz befreundet: Bubi Scholz, Fritz Walter oder auch Kult-Masseur Erich Deuser sind nur drei Beispiele.

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FOTOS: PRIVAT Ein Mannschaft­sfoto vom FC Total 62. Dritter von rechts oben ist Günter Kohnen, er schaut auf Willi Grigor, der das Tor der Hobbytrupp­e hütete.
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Günter Kohnen war auch ein begeistert­er DEG-Fan. Hier ist er mit Peter Hejma (r.) zu sehen.
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Günter Kohnen und Heino (l.) waren Klassenkam­eraden – und blieben ein Leben lang Freunde.

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