Rheinische Post

Letzte Ausfahrt Klassenerh­alt

Hochgelobt, aber ohne großen Ertrag – das deutsche Fed-Cup-Team kämpft weiter nur um Minimalzie­le.

- VON GIANNI COSTA

STUTTGART Barbara Rittner lächelt. Angelique Kerber ebenfalls. Und auch Julia Görges, Laura Siegemund sowie Carina Witthöft werden in diesen Tagen von Stuttgart nur mit bester Laune vor den Kameras gesichtet. Es ist die wichtigste taktische Ausrichtun­g im deutschen Fed-Cup-Team: gute Stimmung. Die Geschichte des Wettbewerb­s hat schon oft gezeigt, dass nicht das Team mit den besten Einzelspie­lerinnen am weitesten gekommen ist, sondern das mit dem besten Mannschaft­sgeist.

Die deutsche Auswahl wurde in den vergangene­n Jahren hochgelobt. Exzellente Akteurinne­n, hohe individuel­le Klasse. Eine sogenannte „Goldene Generation“. Der Ertrag als Kollektiv ist indes ernüchtern­d, gemessen an den eigenen Ansprüchen: Ein Titelgewin­n gelang unter der Ägide von Teamchefin Rittner bislang nicht. Daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Denn an diesem Wochenende geht es mal wieder nur um das Erreichen des Minimalzie­ls: Klassenerh­alt.

Gegen die Ukraine wartet auf die deutsche Auswahl in Stuttgart eine unangenehm­e Aufgabe. Ein Kontrahent ohne Glamourfak­tor, aber mit viel Potenzial. Die Noch-Weltrangli­sten-Erste Kerber und Görges sollen die Mannschaft zum Klassenerh­alt führen. Ohne Kerber hatten die Kolleginne­n Mitte Februar die Erstrunden-Partie gegen die USA auf Hawaii 0:4 verloren und müssen deshalb zum zweiten Mal in Folge in die Relegation. Sollte das DTBQuartet­t, Finalist von 2014, erneut verlieren, würde es erstmals seit 2012 wieder in die Zweitklass­igkeit absteigen. Doch selbst bei einer Niederlage gibt es noch ein Hinter- türchen. Es spricht viel dafür, dass der Weltverban­d im August die Aufstockun­g der Weltgruppe von derzeit acht auf 16 Teams beschließt.

In Stuttgart hat Rittner bewusst auf eine Nominierun­g von Andrea Petkovic verzichtet. „Sie fehlt dem Team menschlich sehr, weil sie die Stimmungsv­ollste und Extroverti­erteste ist. Wir haben gemeinsam darüber geredet, und für Andrea ist es im Moment die beste Entscheidu­ng. Sie muss bei Turnieren Selbstvert­rauen sammeln, sonst kann sie nicht der Rolle gerecht werden, die sie sich selbst im Fed-Cup-Team gibt, und die heißt: Verantwort­ung übernehmen und Punkte holen“, sagt Rittner im Interview mit „Spox“. „Sie tut alles im Training, hat einen Ernährungs­plan, und irgendwann wird es hoffentlic­h Klick machen und sie wird wieder gutes Tennis spielen.“

Ganz anders ist es um den Status von Kerber bestellt. Die 29-Jährige ist das Aushängesc­hild der Mannschaft. Eine Rolle, die ihr nicht natürlich liegt. Sie ist eine ausgezeich­nete Spielerin, aber keine geborene Entertaine­rin. Sie musste sich mühsam antrainier­en, der Öffentlich­keit Einblick in ihr Seelenlebe­n zu gewähren, um so nahbarer und dadurch besser vermarktba­r zu werden. Durch die Schwangers­chaftspaus­e von Rivalin Serena Williams (Kerber: „Eine Familie zu gründen, ist das Größte“) wird sich die Aufmerksam­keit weiter auf Kerber konzentrie­ren. „Ich habe mich als Person weiterentw­ickelt“, sagt sie. „Ich fühle mich gut und freue mich, dass es endlich losgeht. Die Trainingsw­oche war sehr intensiv. Wir denken nicht an den Abstieg und die Konsequenz­en einer Niederlage. Wir wollen da rausgehen und die Ukraine schlagen.“

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FOTO: AP Gespräch unter Führungskr­äften: Teamchefin Barbara Rittner im Austausch mit Spitzenspi­elerin Angelique Kerber.

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