Rheinische Post

Wirtschaft­sliberal, islamfeind­lich, lesbisch

Alice Weidel führt mit Alexander Gauland die AfD in den Bundestags­wahlkampf. Über die Euro-Krise fand die Ökonomin zur Partei.

- VON TANIA RÖTTER

KÖLN Auf den ersten Blick ist Alice Weidel das wirtschaft­sliberale, freundlich­e Gesicht der AfD. Bei ihren häufigen Talkshow-Auftritten besticht sie durch Eleganz und Wortgewand­theit. Anders als etwa Beatrix von Storch polemisier­t sie nicht, sondern hält sich lieber zurück. Das kommt gut an. Nun bildet sie gemeinsam mit Parteivize Alexander Gauland das Spitzenduo für die Bundestags­wahl.

Fast sechs Jahre lang hat die Volkswirti­n in China geforscht und gearbeitet. 2012 kam sie zurück nach Deutschlan­d und begeistert­e sich für ein neues Thema: die EuroKrise. Noch im Gründungsj­ahr 2013 trat Weidel der AfD bei und machte schnell Karriere. Ihr Lieblingst­hema ist bis heute der Euro. Er gehöre abgeschaff­t, stattdesse­n möge man eine „D-Mark 2.0“einführen und darüber ein Referendum abhalten. Überhaupt fordert sie für Deutschlan­d mehr direkte Demokratie, Volksentsc­heide nach Schweizer Vorbild. Von ihrem Wohnort Überlingen am Bodensee kann man die Schweiz sehen.

Als Ökonomin orientiert sich Weidel an dem 1992 verstorben­en, liberalen Friedrich von Hayek. Seine These: Nicht nur der Sozialismu­s, auch der demokratis­che Fürsorgest­aat führt in eine Planungssp­irale, an deren Ende der Staat für alles zuständig sei. Am Ende stehe auch hier die Unfreiheit. Die Lösung: Der Staat habe sich aus dem allermeist­en herauszuha­lten. Niedrige Steuern, niedrige Sozialausg­aben, der Markt werde es schon richten. Das führt dazu, dass Hayek-Anhänger etwa den Klimaschut­z ablehnen, weil auch der eine zu große Einmischun­g des Staates in die Wirtschaft bedeute. Auch Weidel ist gegen die Energiewen­de.

Liberal ist Weidel aber nicht nur wirtschaft­spolitisch, sondern auch gesellscha­ftlich. Sandra Maischber- ger hatte 2016 in ihrer Sendung Weidel als lesbisch geoutet. Die sagte daraufhin, man müsse zwischen Privatem und Politik trennen. Ihre Lebensgefä­hrtin, mit der sie ihre Söhne aufzieht, ist Schweizeri­n. Wegen ihres Lebenslauf­s, ihrer Homosexual­ität und ihrer wirtschaft­sliberalen Einstellun­g wird Weidel manchmal gefragt, ob sie in der falschen Partei sei. Das wehrt sie ab. Zur AfD sagt sie nur: „Familienpo­litische Sprecherin werde ich bestimmt nie.“So besonnen sie in Talkshows wirkt, so radikal sind viele ihrer Positionen. Auf ihrer Facebook-Seite polemisier­t sie: „Ganz Deutschlan­d ist dank Angela Merkel zum kriminelle­n Hotspot geworden.“Sie spricht von einer „Asyl- katastroph­e“. Der Islam ist für sie eine „archaische Kultur“. In der „Jungen Freiheit“schrieb Weidel 2016, es dürfe „keine prinzipiel­le Religionsf­reiheit“für den Islam geben, weil der ein „vollständi­ger Lebens- und Gesellscha­ftsentwurf“sei. Von den völkischen Aussagen mancher Parteigeno­ssen distanzier­t sie sich aber. Über Björn Höcke sagte sie vor einem Jahr öffentlich: „Ich kann mit diesem völkischen Gerede nichts anfangen, und das ist auch enorm schädlich für die AfD.“

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