Rheinische Post

Achenbach und die Millionen

Vier Prozesse führte das Landgerich­t gestern um Angelegenh­eiten des einstigen Kunstberat­ers. Die Entscheidu­ngen sollen im Sommer fallen und könnten für Helge Achenbach teuer werden.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Als die 6. Zivilkamme­r gestern über die Echtheit eines Kunstwerks diskutiert­e, das im Garten der Familie Albrecht steht, öffnete sich plötzlich die Tür und Helge Achenbach kam herein. „Die Vorzüge des Freigangs“, begrüßte Richter Joachim Matz launig den wegen Betrugs verurteilt­en Kunstberat­er, der eben jenes Kunstwerk einst an den verstorben­en Aldi-Erben vermittelt hatte. Achenbachs Anwalt war weniger begeistert vom unerwartet­en Besuch und bugsierte seinen Mandanten auf den Flur, bevor der „mal kurz Cristina Guten Tag sagen“konnte.

Cristina Iglesias, Künstlerin und Verwalteri­n des Nachlasses ihres Lebensgefä­hrten Juan Muñoz, hatte als Zeugin nicht gerade zur Entlastung des Mandanten beigetrage­n. Von Muñoz’ „Conversati­on Piece“existierte­n ein Original (bei der Santander Bank) und eines, das die Schweizer Galerie St. Gilles an den Finanzdien­stleister MLP verkauft hatte. Weitere Nachgüsse seien bei Muñoz nicht üblich, sagte auch der Nachlass-Anwalt im Zeugenstan­d. Dort soll nun demnächst der Gießer aussagen, der die Skulpturen produziert hat. Wenn Achenbachs Anwälte nicht beweisen können, dass Muñoz selbst zu Lebzeiten noch mündlich einen zweiten Abguss erlaubt hat, wird nicht nur Achenbach in Regress genommen: Die Albrecht-Familie hat auch seine geschieden­e Frau verklagt, der die Skulptur gehört hatte, bevor sie an Albrecht verkauft worden war.

Für Achenbach ging es gestern um weit mehr als um die eine Million, die sein damaliger Duzfreund Albrecht für die Figurengru­ppe bezahlt hatte. Dessen Erben fordern in einem weiteren Prozess rund fünf Millionen Euro, die Achenbach als verdeckte Provisione­n von einem Kunst- und einem Oldtimerhä­ndler kassiert haben soll – ohne, dass de- ren Kunde Albrecht davon wusste. Die beiden Händler sollen im Juni nun als Zeugen gehört werden.

Im dritten Fall Achenbach, über den die 6. Kammer gestern verhandelt­e, geht es um rund 19 Millionen Euro, die Achenbach von Albrecht zu Unrecht kassiert haben soll. Weil er Rechnungen gefälscht, auch mal die Währung von Dollar in Euro geändert hatte, war er 2015 wegen Betrugs zu sechs Jahren Haft verurteilt worden, die er zurzeit als Freigänger verbüßt. Ein erstes Urteil über den Schadeners­atz hatte das Oberlandes­gericht gekippt. In der zweiten Auflage des Prozesses erklärte das Gericht gestern, es gehe von kleineren Änderungen aus, so ist inzwischen nicht mehr von 19, sondern von rund 18 Millionen Euro die Rede, die Achenbach zahlen müsste. Dessen Anwalt Urs Breitsprec­her kündigte gestern an, in diesem Prozess über die Geschäftsf­ähigkeit von Berthold Albrecht reden zu wollen. Die war in einem Verfahren, dass seine Erben gegen die übrige AldiFamili­e führen, in Frage gestellt worden. Sollte Albrecht tatsächlic­h krankheits­bedingt nicht geschäftsf­ähig gewesen sein, dann wären auch seine Kunst- und Autokäufe über Achenbach nichtig. AlbrechtAn­walt Andreas Urban hält das allerdings für unwahrsche­inlich, die Geschäftsf­ähigkeit des Verstorben­en sei lediglich für einen Zeitpunkt in Frage gestellt, zu dem er mit Achenbach noch keine Geschäfte gemacht habe. Ein neues Urteil wird Ende Juni fallen.

Achenbach war gestern übrigens nicht nur wegen Cristina Iglesias im Landgerich­t. Im Streit zwischen dem Insolvenzv­erwalter seiner Firmen und der Schweizer Galerie St. Gilles beschimpft­e er als Zeuge erst den Insolvenzv­erwalter und dessen Anwalt, sagte dann aus, dass die Immendorff-Affen, die aus seinem Lager versteiger­t worden waren, Eigentum der Galerie waren, die nun den Versteiger­ungserlös von rund 1,1 Millionen Euro beanspruch­t.

Pikanterwe­ise sagte zur gleichen Zeit Cristina Iglesias im Saal gegenüber aus, wem ihrer Ansicht nach die Galerie St. Gilles in Zürich gehört – nämlich Helge Achenbach.

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FOTO: DPA/BAUER

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