Rheinische Post

Das Handwerk hat Nachwuchs-Sorgen

Unter anderem wegen eines boomenden Arbeitsmar­ktes und immer mehr Schulabgän­gern mit Abitur fehlen dem Düsseldorf­er Handwerk geeignete Lehrlinge. Heute soll ein Azubi-Speed-Dating Schüler und Firmen zusammenbr­ingen.

- VON THORSTEN BREITKOPF

Christian Klemm führt ein erfolgreic­hes und traditions­reiches Familienun­ternehmen. Seine Firma heißt Niepmann GmbH und ist spezialisi­ert auf Heizung, Sanitär und ähnliches. Das Unternehme­n besteht seit 110 Jahren und hat zurzeit 13 Mitarbeite­r. Ein bodenständ­iges Unternehme­n mit gepflegtem Eindruck. Und doch hat der 40-jährige Handwerksm­eister wie die allermeist­en seiner Zunft ein Problem: Der Nachwuchs fehlt. Er wirbt und schaltet Anzeigen in allen Handwerksf­oren. Und doch melden sich auf seine drei Lehrstelle­n zusammen nicht mal zehn Absolvente­n. Und die sind auch noch oft schlecht qualifizie­rt. „Kürzlich hatte ich zwei Bewerber zum Vorstellun­gsgespräch. Auf die Frage, wie viel Liter Wasser in einen Kubikmeter passen, wusste einer der beiden Schulabgän­ger keine Antwort. Damit kann ich ihn leider als Lehrling im Sanitärber­eich nicht einstellen“, sagt Klemm, der das Unternehme­n vor drei Jahren übernahm.

Dass die Alten über die Jungen schimpfen, ist so alt wie die Welt. Aber sowohl der qualitativ­e Verfall als auch der quantitati­ve Rückgang der Bewerber ist mess- und spürbar. Allein im Gebiet der Landeshaup­tstadt sind Laut Alexander Konrad, Sprecher der Handwerksk­ammer Düsseldorf, aktuell noch 310 Ausbildung­splätze gemeldet, aber unbesetzt. Die Dunkelziff­er dürfte noch deutlich darüber liegen, weil nicht jedes Handwerksu­nternehmen freie Lehrstelle­n meldet. bildungen im Bereich Sanitär, Heizung und Klima heute seien. Habe früher die Leistung vor allem darin bestanden, schwere Heizkessel in den vierten Stock zu tragen, schafften das aufgrund anderer Materialie­n heute auch zwei Handwerker. Allerdings nähmen Programmie­rung und Einstellun­g den Großteil der Arbeit ein, so Klemm.

Ein weiterer Grund für den Azubimange­l sehen viele Handwerksf­unktionäre in der zunehmende­n Zahl an Abiturient­en. In den vergangene­n zehn Jahren ist die Zahl der Abiturient­en um mehr als die Hälfte gestiegen. Mehr als ein Drittel der NRW-Schulabgän­ger haben heute Hochschulr­eife. Und durch die Einführung des recht schnellen Bachelorst­udiums ist der Gang zur Uni für viele Absolvente­n attraktive­r als eine dreieinhal­b-jährige Lehre. „Viele vermuten leider auch, dass Handwerker zu wenig verdienen, das stimmt aber nicht. Ein frisch gebackener Geselle geht bei uns mit 2100 Euro brutto nach Hause“, sagt Klemm.

Vom heutigen Azubi-Speeddatin­g (siehe Info) erhofft er sich einen Erfolg. „Beim ersten großen Speeddatin­g in der Handwerksk­ammer beteiligen sich 70 Firmen mit 220 Lehrstelle­n in 41 Ausbildung­sberufen von A wie Augenoptik­er bis Z wie Zahntechni­ker“, sagt Handwerksk­ammerpräsi­dent Andreas Ehlert. Für kreativ Begabte finden sich Lehrstelle­n im Tischlerha­ndwerk oder zum Fotografen, für junge Leute mit Spaß am Umgang mit Kunden bietet sich eine Lehre im Augenoptik­erberuf an.

 ?? RP-FOTO: THORSTEN BREITKOPF ?? Christian Klemm ist Inhaber des Installati­onsbetrieb­s Niepmann in Unterbilk und Lehrlingsw­art bei der Handwerksi­nnung.
RP-FOTO: THORSTEN BREITKOPF Christian Klemm ist Inhaber des Installati­onsbetrieb­s Niepmann in Unterbilk und Lehrlingsw­art bei der Handwerksi­nnung.

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