Rheinische Post

„Wir wissen, dass wir bedeutend sind“

Der neue Rektor der Kunstakade­mie spricht im ersten Interview über seine Ziele an der Spitze der Hochschule, die richtige Ausbildung von Künstlern – und das Aus für die Ateliers am Steinberg.

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Herr Petzinka, viele Ihrer bekanntest­en Werke sind Machtzentr­alen: das Stadttor, in dem die Landesregi­erung ihren Sitz hat, oder die Landesvert­retung und die CDU-Parteizent­rale in Berlin. Sind Sie fasziniert von Macht? PETZINKA Nein. Aber man arbeitet als Architekt ja nie für sich selbst. Man muss immer eine Aufgabe verstehen und dann kreativ lösen. Ich glaube, das ist meine Stärke, daher haben wir uns mit dem Büro „Petzinka Pink“in vielen Wettbewerb­en durchgeset­zt. Ich habe mir einen Satz gemerkt, den Helmut Kohl damals gesagt hat, als wir über die Parteizent­rale gesprochen haben. Er zeigte mir den Entwurf von Gottfried Böhm für den Reichstag und sagte: „Der Böhm hat mich genau verstanden.“Diese Fähigkeit ist für Architekte­n ganz essenziell. Sind Sie selbst ein Machtmensc­h? PETZINKA Nein. Machtmensc­hen wollen sich unbedingt durchsetze­n. Das entspricht überhaupt nicht meinem Charakter. Um den Sprung zur Akademie zu machen: Ich glaube, dort haben wir genau in diesem Bereich ein Defizit. Man kann auch an einer Hochschule nicht einfach seine Ideen durchsetze­n. Das passt nicht in unsere Zeit. Sie lösen im Sommer als Rektor Rita McBride ab. In den letzten Jahren hat es unter den Professore­n starke Spannungen gegeben. Sie klingen, als wollten Sie als Moderator wirken. PETZINKA In gewisser Weise. Man lernt doch aus dem, was man selber nicht gut findet. Ich habe mich immer darüber geärgert, wenn alle zu wissen glauben, wie es geht. Ich habe als Architekt gelernt, dass es immer viele Alternativ­en gibt. Man braucht Abwägungsp­rozesse, um sich für die richtige zu entscheide­n. Rita McBride stieß mit vielen Ideen auf Kritik, vor allem bei Personalen­tscheidung­en. Sie gehörten zu den Kritikern. Sind sie daher angetreten? PETZINKA Ganz klar: nein. Ich finde es auch nicht richtig zu sagen, ich war Ritas Kritiker. Jeder hat seine Eigenarten. Sie hat auch viele gute Entscheidu­ngen getroffen. Sie hat ihren Job gemacht, ich mache jetzt meinen. Was hat Sie denn dann veranlasst? PETZINKA Ich habe ein klares Hauptziel: Wir müssen es hinbekomme­n, in der Professore­nschaft wieder eine Atmosphäre zu schaffen, in der alle mitarbeite­n wollen. Wir besitzen durch das Rektoralsy­stem eine enorme Freiheit. Wo gibt es das sonst, dass der Apparat selbst über seine Führung entscheide­t? Wir wollen kein Mündel des Landes sein. Also müssen wir unserer Freiheit retten und nutzen. Sie haben mit dem langjährig­en Rektor Markus Lüpertz gearbeitet und waren Mitstreite­r von Tony Cragg. Kehrt jetzt die alte Garde zurück? PETZINKA Das ist ein lästiges Thema. Ich lese es natürlich nicht gern, wenn es heißt, ich gehörte zur älteren Generation. Man könnte ja auch nach den Vorteilen fragen: Wir Älteren sind gelassener. Wir fragen uns erst mal, was wir bewirken wollen. Um Spuren hinterlass­en zu können, muss man vor allem auch besonnen sein. Ihre Vorgängeri­n hat gesagt, sie wolle die Türen der Akademie öffnen. Wie lautet Ihr Vorhaben? PETZINKA Ich glaube, man hilft sich nicht mit solchen Ansprüchen. Ich habe es immer unklug gefunden, wenn man sagt, jetzt muss unbedingt die Luft frischer werden. Eine Modernisie­rung kann man als Rektor nicht verordnen. Ich möchte stattdesse­n, dass wir uns gemeinsam bewusstmac­hen, dass die Aka- demie immer ein Ort von Beginn und Veränderun­g war. Es gibt hier starke Kräfte. Sie müssen nur angestoßen werden. Man könnte meinen, Sie wollen vor allem auf Projekte anderer bauen. Sie haben aber sicher eigene. Welche? PETZINKA Klar habe ich die. Aber ich werde sie erst den Kollegen vorstellen, um einen Konsens zu schaffen. Das ist ja gerade mein Ansatz. Die Stadtspitz­e wünscht sich, dass die Akademie stärker in die Stadt strahlt. Teilen Sie dieses Ziel? PETZINKA Wir sind kein Dienstleis­ter dafür, dass die Stadt Düsseldorf sich besser fühlt. Aber ich werde mit Oberbürger­meister Thomas Geisel gern daran arbeiten, Ideen durchzuset­zen, von denen auch die Stadt etwas hat. Ich will stärker sichtbar machen, dass wir zum Gesicht der Stadt gehören. Ohne Akademie wäre Düsseldorf weniger Düsseldorf. Die Akademie hat ein sehr eigenes Ausbildung­ssystem. Sind die Meisterkla­ssen noch das richtige Modell? PETZINKA Ja. Die Meisterkla­ssen müssen wir erhalten. Ich lege auch größten Wert darauf, dass wir die Annahmepro­zedur beibehalte­n: Die Künstler brauchen kein Abitur, aber man muss eine Mappe abgeben. Dann sagt die Kommission, wen sie haben will. Dieser Weg ist höchst individuel­l. Das ist aber nicht unmodern, das ist etwas Besonderes. Die Auswahl der Meister – das ist das Spannende. Bereitet die Akademie die Studierend­en genug aufs Berufslebe­n vor? PETZINKA Wir machen unsere Studenten zu aufmerksam­en Sehern. Wir lehren sie, ihre Dinge zu machen. Ob das später jemandem gefällt, interessie­rt uns nicht. In der modernen Welt geht es viel um Anerkennun­g, Geld und Berühmthei­t. Sollen wir uns an solche Mechanisme­n anpassen? Nein. Die Antwort der Akademie kann nur sein: Wir machen und gucken, was rauskommt. Und wir liegen damit nicht schlecht. Schauen Sie sich die Weltrangli­ste der Künstler an, da war die Akademie immer vertreten. Markus Lüpertz hat mal gesagt: Wenn die Akademie alle 300 Jahre einen Einstein produziert, dann haben wir unseren Auftrag erfüllt. Wir wissen, dass wir bedeutend sind. Und da, wo ein Ort bedeutend ist, da entsteht auch Bedeutende­s. Muss die Akademie sich mehr um die Folgen der Technisier­ung kümmern? PETZINKA Das ist eine gesellscha­ftliche Auseinande­rsetzung, der wir uns stellen müssen. Ob wir das künstleris­ch tragend finden, werden wir sehen. Aber solche Prozesse beflügeln immer die Kunst. Wenn wir sehen, da ist ein Künstler, der spannende Dinge macht, dann sollten wir ihn holen. Auch unsere Werkstätte­n haben sich kontinuier­lich entwickelt. Warum sollen jetzt nicht zeitgenöss­ische Dinge dazukommen? Sie haben sich immer für die Ateliers im Depot am Steinberg eingesetzt. Zugleich wollen Sie mit einer Investoren­gruppe das Areal kaufen. Wie lösen Sie diesen Interessen­skonflikt? PETZINKA Es gibt keinen Konflikt. Die Ateliers am Steinberg wird es nicht geben. Es ist ja noch nicht einmal mehr klar, ob die Rheinbahn das Depot verkauft oder doch wieder langfristi­g selber braucht. Aber die Idee von Ateliers für die besten Absolvente­n finde ich nach wie vor gut. Darüber müssen wir weiter reden, denn das steigert die Attraktivi­tät der Akademie. Wo und wie wir das machen, das werde ich mit den Erfahrunge­n vom Steinberg diesmal anders angehen: Ich werde von Anfang an dafür sorgen, dass wir in der Akademie gemeinsam ein klares Ziel formuliere­n und gemeinsam dafür eintreten. Bleiben Sie nur eine Amtszeit? Sind Sie ein Übergangsk­andidat? PETZINKA Dieses Wort mag ich nicht. Es muss uns gelingen, in den vier Jahren eine Atmosphäre zu schaffen, in der möglichst viele sagen, wir packen es gemeinsam an. Dann kann ich als Rektor meine Aufgaben verantwort­lich übergeben.

 ?? FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Karl-Heinz Petzinka in der Kunstakade­mie. Der Architekt ist dort seit 2008 als Professor für Baukunst tätig, jetzt wurde er zum Rektor gewählt.
FOTO: ANDREAS BRETZ Karl-Heinz Petzinka in der Kunstakade­mie. Der Architekt ist dort seit 2008 als Professor für Baukunst tätig, jetzt wurde er zum Rektor gewählt.

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