Rheinische Post

Leben zwischen zwei Welten

Die Hammer Dorfstraße trennt das städtische und das ländliche Düsseldorf. Jetzt wird ein Gebäudekom­plex, um den heftig gestritten wurde, komplett saniert.

- VON UTE RASCH UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

Genau hier stößt das alte Düsseldorf auf die modernen Zeiten. Die Hammer Dorfstraße wirkt wie eine Schneise, trennt das Städtische vom Ländlichen und bietet zwei völlig unterschie­dliche Perspektiv­en: zur einen Seite auf den Medienhafe­n mit seiner kühlen Bürohaus-Architektu­r, auf der anderen Seite auf die Felder und Gewächshäu­ser von Kappeshamm, in denen der Sommer schon als Verheißung sprießt. Genau auf der Trennlinie dieser beiden Welten steht ein Komplex aus mehreren Häusern – mit langer Vergangenh­eit. Aber auch mit Zukunft. Sie hatte das Ziel, „gute und gesunde Wohnungen für Familien des Arbeiterst­andes“zu schaffen: Die Aders’sche Wohnstiftu­ng wollte in Düsseldorf realisiere­n, was 1902 als zentrale Forderung des internatio­nalen Wohnungsko­ngresses in Düsseldorf formuliert wurde. So entstand wenige Jahre später mit Blick auf den bäuerliche­n Stadtteil Hamm ein Gebäudekom­plex, der auch modernen Ansprüchen gerecht wurde: Zwei Wohnungen auf jeder Etage mit zwei oder drei kleinen Zimmern, Balkon zum Hof, Toilette eine halbe Treppe tiefer. Nach damaligen Maßstäben genug Wohnraum für eine größere Familie – an eigene Bäder oder gar Heizungen war nicht zu denken. Es war die Zeit der Bescheiden­heit.

So beherbergt­en die Häuser an der Hammer Dorfstraße mit den Hausnummer­n 1 bis 17 viele Jahrzehnte Familien mit kleinem Einkommen – und kamen allmählich selbst sichtbar in die Jahre. Der Putz bekam den Farbton von nassem Sand, und überhaupt war der marode Zustand der Häuser nicht mehr zu übersehen. „Uns war klar, dass man hier mit kleineren Schönheits­reparature­n nichts mehr ausrichten konnte. Nur ein Abriss kam infrage oder eine Komplettsa­nierung“, erinnert sich Jürgen Heddergott, Chef der Städtische­n Wohnungsge­sellschaft, der heutigen Eigentümer­in der Häuser.

Um eines dieser beiden Konzepte zu verwirklic­hen, ließ man von nun an Wohnungen, die frei wurden, leer stehen. Bis schließlic­h nur noch die Hälfte vermietet war. Das aber rief im Sommer 2013 das „Bündnis für bezahlbare­n Wohnraum“auf den Plan, dessen Mitglieder es „skandalös“fanden, dass in „Zeiten eklatanter Raumnot Wohnungen leer standen.“Den Protest bekräftigt­e das Bündnis mit einer Aktion, die als „Dauerwohnu­ngsbesicht­igung“deklariert wurde. Aber nach zwei Übernachtu­ngen zog die Gruppe wieder ab, von „Hausbesetz­ung“mochte niemand sprechen.

Die Wohnungsge­sellschaft entschloss sich schließlic­h zur Kernsanier­ung in drei Bauabschni­tten, „denn sowohl die Substanz als auch die Grundrisse waren in Ordnung“, sagt Jürgen Heddergott. Inzwischen ist der erste Teil fertig, was die Fassade mit ihrem neuen Klinkersoc­kel und hellen Anstrich schon auf den ersten Blick signalisie­rt. Wo früher Familien mit mehreren Kindern lebten, wohnen heute vor allem Singles wie Francesco Saleni. Der 26Jährige bezog Anfang 2016 eine der komplett sanierten Wohnungen: 50 Quadratmet­er stehen ihm zur Verfügung. In einem großen Raum hat er geschickt Wohnen, Schlafen und Arbeiten kombiniert, dazu kommen Bad und eine geräumige Küche, in die auch ein Esstisch passt. Vom Balkon aus blickt er auf die Rückseite der Hafen-Gebäude und die S-Bahn-Linie, „die man nur sieht, aber nicht hört, wenn die Tür geschlosse­n ist.“Dafür sorgt eine Vierfach-Verglasung, die Teil eines neuen Energiekon­zepts ist, zu der auch eine besonders starke Isolierung der Fassade gehört. Eine spürbare Verbesseru­ng für die Mieter: „Ich musste selbst im Winter kaum heizen“, so Saleni. Überhaupt ist er mit Wohnung, Lage und Nachbarsch­aft „einfach nur glücklich“. Seine Mutter lebt schon seit Jahren im Nachbarhau­s, Freunde seien gerade ins neue Dachgescho­ss gezogen, sein Cousin wird bald folgen. Neue und alte Bewohner würden sich gut verstehen, „alle kennen sich, und im letzten Sommer haben wir so manchen Abend im gemeinsame­n Garten gesessen“. Selbst wenn einer der Mieter mal wieder laute Rockmusik hört, würde sich keiner im Haus beschweren. „Hier wird einfach viel gefeiert.“

 ??  ?? Wohnen, schlafen, arbeiten in einem Raum, sogar das Fahrrad findet noch Platz in der 50-Quadratmet­er-Wohnung von Francesco Saleni.
Wohnen, schlafen, arbeiten in einem Raum, sogar das Fahrrad findet noch Platz in der 50-Quadratmet­er-Wohnung von Francesco Saleni.
 ??  ?? Klinkersoc­kel, heller Anstrich, das erste Gebäude wurde bereits kernsanier­t.
Klinkersoc­kel, heller Anstrich, das erste Gebäude wurde bereits kernsanier­t.
 ?? FOTO: STÄDTISCHE WOHNUNGSGE­SELLSCHAFT ?? Und so sahen die Häuser an der Hammer Dorfstraße vor der Sanierung aus.
FOTO: STÄDTISCHE WOHNUNGSGE­SELLSCHAFT Und so sahen die Häuser an der Hammer Dorfstraße vor der Sanierung aus.
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Alles, was der Mensch im Alltag braucht: die Küche von Francesco Saleni.

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