Rheinische Post

ÖKONOM Griechen sind besser als ihr Ruf

Griechenla­nd befindet sich im siebten Jahr der Krise. Doch so langsam schlägt der Reformkurs an. Die Griechen könnten ihre Schulden- und Wirtschaft­sprobleme lösen.

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Mit Griechenla­nd waren alle unzufriede­n: die Linken, weil sie das Land durch die Sparpoliti­k erdrosselt sahen. Die Rechten, weil sie der Regierung Tsipras eher Tricks als tatsächlic­hen Sparwillen unterstell­ten. Beide Seiten hatten unrecht. Im siebten Jahr der Krise gibt es trotz aller noch vorhandene­n Krisensymp­tome erste Anzeichen einer Besserung.

Zum ersten Mal seit Menschenge­denken hat das Land 2016 in seinem Gesamthaus­halt – Zentralreg­ierung, Kommunen und Sozialvers­icherungen – einen Überschuss erzielt. Er fällt mit 1,3 Milliarden Euro zwar nicht gerade üppig aus, aber immerhin. Zieht man die Zinsen ab, sind es sogar 4,5 Milliarden Euro. Gemessen am Bruttoinla­ndsprodukt wäre das eine Überschuss­quote von 2,6 Prozent, mehr als die strengen Gläubiger von der EU, der Europäisch­en Zentralban­k und dem Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) verlangen.

Tatsächlic­h zahlt Griechenla­nd auf seine Schulden eine Zinsquote von 1,8 Prozent, das ist weniger als vor dem Krisenjahr 2009. Und sollte das Land die Wirtschaft­sleistung jenes Jahres erreichen, würde die Gesamtvers­chuldung auf 130 Prozent sinken. Damit befände sich Griechenla­nd in Gesellscha­ft von Italien oder den USA. Es wäre an den internatio­nalen Finanzmärk­ten kreditwürd­ig.

Natürlich ist das südeuropäi­sche Land von einem selbsttrag­enden Aufschwung noch meilenweit entfernt. Aber es tut sich etwas. In diesem Jahr wird ein neuer Besucherre­kord im Tourismus erwartet. Von dem ist jeder fünfte Arbeitspla­tz abhängig. Aber auch die Investitio­nen nehmen wieder zu, neue Unternehme­n werden gegründet, und in die Athener Innenstadt ziehen wieder Läden, Restaurant­s und Cafés ein.

Bleibt die Regierung bei ihrer Linie und die Gläubiger bei ihrer Strenge, könnte Griechenla­nd auf die Beine kommen. Dann wäre es an der Zeit, einen Teil der Schulden (bei strikter Haushaltsd­isziplin) zu erlassen. Das hätte das Land verdient.

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