Sigmar Polke ist auf dem Baum
Eine sehenswerte Ausstellung in der Akademiegalerie zeigt, wie Künstlerporträts die Rolle der Fantasiebürger reflektieren.
„Späßchen“wird er gehabt haben bei seiner Hängepartie am Burgplatz. Sigmar Polke, später weltberühmt mit seinen Rasterbildern, vor sieben Jahren gestorben, kletterte Anfang der 70er Jahre übermütig auf einen Ahornbaum. Seine Sonnenbrille: ganz im Easy-Rider-Style, im Mund eine Zigarette: garantiert filterlos. Wahrscheinlich gibt es noch viel mehr Anekdotisches zu diesem Foto zu sagen, das aussieht wie ein Schnappschuss.
Das Künstlerporträt weise mit der zeitgenössischen Kunst eine heimliche, wenig beachtete Beziehung auf, schreiben die Kuratoren. „Unsere Ausstellung bilanziert diese Themen ausgehend vom Genius Loci des Kunstortes Düsseldorf.“Entweder wurden die Porträts zwischen 1800 und heute in diesem einmaligen künstlerischen Biotop direkt geschaffen oder sie betreffen langjährige Protagonisten des Kunstgeschehens. Alle Bilder, Gemälde, Grafiken und Fotoarbeiten atmen das Kreative von Düsseldorf, umkreisen die Menschen, die in der Stadt für die Fantasie zuständig waren und sind. Gab es früher noch gottgleich schöpferische Malergenies, wuchsen mit den 1968ern die Freaks, die Wilden, die Spinner, die Unangepassten heran. Daneben behauptete immer der Dandy seinen Platz, auch der Malerfürst. Die Porträts reflektieren Rollenbilder, mitunter brechen sie sie auch mit würzig-ironischer Note. Bei alten Zeiten sind wir ohne Erklärungen ahnungslos, doch heute können wir allerlei Entdeckungen machen.
Die Zeitgenossenschaft vermag zu erstaunen: Guck mal, wie Andreas Gursky vor 40 Jahren da stand und wie schön Katharina Sieverding als junge Frau war! Dass der ganz junge Gerhard Richter mit seiner zweiten Ehefrau Isa Genzken gemeinsam fotografiert wurde und nun gezeigt wird, dürfte der dritten Ehefrau vielleicht nicht gefallen. Und dass Thomas Ruff stilprägend war für die Nachfolgegenerationen mit seinen Pionier-Porträts, die er später zum Erstaunen seines Lehrers Bernd Becher im Format hochzog, lässt sich nachvollziehen angesichts der 40 Aufnahmen seiner Kommilitonen. Kurator Robert Fleck sagt, Ruff habe dieses Ensemble der Akademie nach dem Niederlegen der Professur vermacht.
Die Arbeiten wärmen Geschichte auf. Nur eine wird direkt im O-Ton erzählt: Die Fotografin ATM hat K.O. Götz (103) und seine Ehefrau Rissa aufgesucht, beide Ex-Professoren der Akademie. Sie hat nicht nur ein wundervolles, von der Innigkeit des Lebens sprühendes Porträt aufgenommen, sondern zeitgleich ein Interview geführt, das den bedeutenden Informellen zu Wort kommen lässt. „Liebe und Glück sind das Größte in der Welt“, sagt der blinde Maler lebensweise. „Beide sind nicht vorhersehbar.“