Rheinische Post

Kunstwerke aus Kaffeesatz

Viel zu schade für die Tonne: Eine Düsseldorf­erin formt aus dem Bioabfall Objekte für die Wohnung. Ihr Nachschub kommt vom Italiener um die Ecke.

- VON UTE RASCH

Es soll ja Menschen geben, die lesen aus dem Kaffeesatz die Zukunft. Bei Carmen Zirngibl funktionie­rt es umgekehrt: Sie gibt dem Kaffeesatz eine Zukunft. Und stellt ihn auf den Tisch. Oder ins Regal. Die Düsseldorf­erin formt aus dem Bodensatz, der von jeder Tasse Kaffee übrig bleibt, verblüffen­d schöne Schalen – mal mit ruppig-rauer, mal mit geölter, streichelg­latter Oberfläche, immer in Kaffeebrau­n: Kunststück­e aus der Biotonne.

Sie ist eine leidenscha­ftliche Köchin. Eine von der Sorte, die sich nach einem langen Arbeitstag am liebsten bei der Zubereitun­g eines Essens entspannen. Und da Carmen Zirngibl Vegetarier­in ist, produziert sie in ihrem Haushalt jede Menge organische­n Müll, der im Garten kompostier­t wird. „Ich habe mich viel mit Lebensmitt­elverschwe­ndung beschäftig­t, mit nachhaltig­er Lebensweis­e.“So stieß sie auf die Idee des Upcycling, „wobei aus einem Abfallprod­ukt etwas schönes Neues entsteht“. Wesentlich­e Voraussetz­ung, um aus einem vagen Wunsch einen konkreten Plan zu entwickeln: Carmen Zirngibl, die seit 20 Jahren Personal an Unternehme­n aus der Biotech- und Gesundheit­sbranche vermittelt, ist Biologin. Sie weiß um die Kreisläufe in der Natur, um Werden und Verge- hen. Und so stieß sie eines Tages auf den Stoff für ihre künftigen Objekte: Kaffeesatz.

In der Zeit danach wurde ihre Küche zum Labor. „Ich wollte etwas machen, was eine ähnliche Konsistenz hat wie ein Kuchenteig.“Dafür brauchte sie ein natürliche­s Bindemitte­l. Also vereinte sie den Kaffeesatz mit alten, zerkleiner­ten Eierkarton­s, die sie teils kochte, um die Zellulose zu gewinnen, teils als Schnipselc­hen untermisch­te. Die braun-melierte Pampe wurde zu kleinen und großen Schalen modelliert („So wie meine Tochter das früher im Kindergart­en mit Salzteig gemacht hat“) – und wanderte in den Backofen. Bei wie viel Grad? „Wird nicht verraten.“So viel Betriebsge­heimnis muss sein.

Nach einigen Experiment­en, in denen sich Carmen Zirngibl in ihre Zeit als junge Naturwisse­nschaftler­in im Uni-Labor zurückvers­etzt fühlte, hatte sie die richtige Rezeptur gefunden. „Die Mischung musste in der Lage sein, den Kaffeesatz so zu binden, dass er zunächst formbar und anschließe­nd eine gewisse Härte und Stabilität entwickelt.“Das Ergebnis überzeugt längst auch einen wachsenden Kundenstam­m, der die Schalen aus Kaffeesatz in ihrem Online-Shop bestellt. Mittlerwei­le wurde das Sortiment um Lampenschi­rme erweitert, die auf der Innenseite mit kupfer- oder goldfarben­em Wachs bestrichen wurden – für einen warmen Lichtschim­mer.

Ihre Objekte aus der Bio-Tonne sind mittlerwei­le über Düsseldorf­s Stadtgrenz­en bekannt. Ab nächsten Freitag wird sie ihre Kaffesatz-Kollektion auf dem Ökorausch-Festival in Köln präsentier­en. Dass ihr eines Tages der Stoff für ihre Schalen ausgeht, muss sie nicht befürchten: Von ihrem italienisc­hen Stammlokal um die Ecke bekommt sie jeden Abend den kompletten Espresso-Abfall. „Außerdem liefern mir Freunde und Nachbarn ihre Eierkarton­s.“Nur eines kann man mit ihren Objekten nicht: Kaffee trinken. Feuchtigke­it wurde sie zerstören – und dann wären sie wirklich reif für die Biotonne. (bpa) Dass Hundebesit­zer es beim Besuch eines Restaurant­s nicht immer einfach haben, ist bekannt, aber dass sich auch Katzenbesi­tzer mit einem Besuchsver­bot angesproch­en fühlen dürfen, das beweist das Eat Tokyo an der Nordstraße 28. Im Eingangsbe­reich unübersehb­ar angebracht sind Aufkleber, die beide Tierarten des Hauses verweisen. Auf Nachfrage bestätigte eine Mitarbeite­rin des Restaurant­s, dass das kein Witz sei. Es gäbe durchaus Leute, die ihre Katzen an der Leine spazieren führen – nur nicht ins Eat Tokyo.

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