Rheinische Post

Der neue Nachbar

Edouard Philippe stammt aus einer konservati­ven Konkurrenz-Partei. Der neue französisc­he Präsident setzt überrasche­nd auf ihn.

- VON CHRISTINE LONGIN

Emmanuel Macron, der frischgewä­hlte französisc­he Präsident, legt ein beachtlich­es Tempo vor. Am Sonntag wurde er in Paris ins Amt eingeführt, gestern Morgen ernannte er seinen neuen Premier, und am Abend traf er sich in Berlin mit Kanzlerin Angela Merkel zu einem ersten Meinungsau­stausch.

PARIS Ohne seinen dunklen Vollbart würde kaum jemand in Frankreich Edouard Philippe erkennen. Der Bürgermeis­ter von Le Havre im Nordwesten Frankreich­s gehört zu den Politikern der zweiten Reihe, die mit der Amtsüberna­hme des neuen Präsidente­n Emmanuel Macron nach vorne katapultie­rt wurden. Bevor er gestern zu Bundeskanz­lerin Merkel nach Berlin reiste, ernannte Macron den 46-Jährigen zu seinem Premiermin­ister. Damit gelang dem Staatschef, der das traditione­lle Rechts-Links-Schema aufbrechen will, ein geschickte­r Schachzug. Philippe gehört nämlich dem konservati­ven Lager an und unterstütz­te als Sprecher den Vorwahlkam­pf des Kandidaten Alain Juppé.

Im Gegensatz zu seinem Mentor scheint der Sohn zweier Französisc­hlehrer aber durchaus bereit zu sein, die alten politische­n Muster zu verlassen. „Der Wahlsieger hat keine Wahl: Wenn es Emmanuel Macron ist, muss er Grenzen überschrei­ten. Er muss aus den alten Gegensätze­n von rechts und links aussteigen, um eine neue Mehrheit zu schaffen“, forderte er nach der ersten Wahlrunde in der linksliber­alen Zeitung „Libération“, für die der Hobby-Romanautor den Wahlkampf kommentier­te.

Grenzübers­chreitunge­n sind die Sache des eher kühl wirkenden Philippe, der während seines PolitikStu­diums zunächst den Sozialiste­n angehörte. „Ich bin in einem eher linken Umfeld groß geworden, wo man sozialisti­sch wählte“, bekannte Philippe, der im französisc­hen Gymnasium in Bonn sein Abitur machte, im Magazin „Le Point“. In der Sozialisti­schen Partei identifizi­erte sich der hoch gewachsene Politiker mit Michel Rocard, der einen sozialdemo­kratischen Kurs vertrat. Als Rocard die Parteiführ­ung aufgeben musste, gab auch Philippe sein Parteibuch zurück, um sich den Konservati­ven anzuschlie­ßen, bei denen er mit 32 Jahren Generalsek­retär wurde. In der Partei der Republikan­er (LR) blieb der gelernte Anwalt vor allem Juppé treu, dem er alle Qualitäten eines Präsidente­n zuschrieb. „Ich bin ein Mann der Rechten, aber ich weiß, dass das Allgemeinw­ohl alles Engagement bestimmen sollte“, bekannte der Amateurbox­er in seiner ersten Ansprache nach seiner Ernennung gestern.

Es ist ein Vorteil für Macron, dass sein Regierungs­chef die Nationalve­rsammlung als Abgeordnet­er gut kennengele­rnt hat. Auf eine Kandidatur bei der Parlaments­wahl im Juni verzichtet­e Philippe, um sich voll auf seine Aufgabe als Bürgermeis­ter zu konzentrie­ren. In Le Havre am Ärmelkanal, wo er seit 2010 regiert, ist der dreifache Vater beliebt. Bei der Kommunalwa­hl 2014 wurde er mit 52 Prozent in der ersten Runde wiedergewä­hlt. Auch wenn Philippe im Wahlkampf gegen Macron stichelte, scheinen sich die beiden zu verstehen. „Sie haben viel Vertrauen ineinander und ähneln sich in zahlreiche­n Punkten: Intelligen­z, Kultur, Vision der Gesellscha­ft“, sagte die frühere JuppéVertr­aute Aurore Bergé, die inzwischen zu Macrons Bewegung „En Marche!“gehört.

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Frankreich­s neuer Premiermin­ister: Edouard Philippe.

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