Rheinische Post

Tierheime mit Exoten überforder­t

In einem Brief an das Bundesland­wirtschaft­sministeri­um verlangen 30 Tierheime und Auffangsta­tionen, Handel und Haltung von exotischen Tieren strikter zu reglementi­eren. Auch weil zu viele Exemplare in den Heimen landen.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

DÜSSELDORF Affe, Nasenbär, Känguru, Faultier, Luchs, Waran, Skorpion – was sich liest wie das Bestandsre­gister eines Zoos, ist mittlerwei­le auch in vielen Tierheimen zu finden. Denn immer mehr Menschen halten exotische Tiere in den heimischen vier Wänden, obwohl sie sowohl fachlich als auch finanziell damit überforder­t sind. Die Folge: Etliche Exemplare werden abgegeben oder ausgesetzt und landen irgendwann in einer Auffangsta­tion. „Von der Kornnatter bis zur Königspyth­on, vom Skorpion bis zur Vogelspinn­e haben wir schon alles bei uns gehabt“, sagt Thomas Mielke, Leiter des Tierheims Hilden. Das bringt auch die Experten an ihre Grenzen. Daher haben die Hildener mit 29 weiteren Heimen (u. a. Düsseldorf) und Auffangsta­tionen einen Brief an Bundesland­wirtschaft­sminister Christian Schmidt (CSU) geschriebe­n. Ihre Bitte: den Handel und die Haltung von Wildtieren endlich einzuschrä­nken.

Mielke und sein Hildener Team haben sich mittlerwei­le auf die neuen Gäste eingestell­t. „Am Anfang mussten wir uns auch erst die nötigen Kenntnisse anlesen, um für eine passende Unterbring­ung zu sorgen oder einfach nur festzustel­len, ob sie giftig sind oder nicht“, sagt der 45-Jährige. Heute besitzt das Heim eine moderne Terrariena­nlage. Investitio­n: 7000 Euro. Dazu addieren sich die laufenden Betriebsko­sten, etwa für Mitarbeite­r, Strom und Futter. „Das muss man erstmal finanziere­n“, sagt Mielke, der sich von der Bundesregi­erung im Stich gelassen fühlt.

Denn in den Koalitions­vertrag von CDU, CSU und SPD wurde zwar aufgenomme­n, die Haltung und den Handel von Wildtieren stärker zu regulieren. Nur passiert sei nichts, kritisiert Olaf Neuendorf, Leiter des Ansbacher Vereins Raubtier- und Exotenasyl. Neuendorf päppelt unter anderem Raubtiere wieder auf, die illegal gehalten wurden. „Wir und andere Auffangsta­tionen kümmern uns um die Tiere, aber wir bleiben auf den Kosten sit- zen“, sagt Neuendorf, der sich mehr Hilfe vom Gesetzgebe­r wünscht.

Vor allem aber hoffen die Tierschütz­er, dass der Zugang zu Exoten beschränkt wird. Wer heute einen Puma oder Tiger kaufen wolle, fahre einfach nach Polen, sagt Neuendorf. Dort frage niemand nach. „Hier werden manche Raubtiere dann illegal im Keller oder unterm Dach gehalten.“Auch Giftschlan­gen seien etwa auf Reptilienb­örsen leicht zu erstehen, erklärt Mielke. Eine Baby-Klappersch­lange koste gerade mal zwischen 20 und 60 Euro, sei aber genauso giftig wie eine ausgewachs­ene. „Wer das Geld auf den Tisch legt, darf sie einpacken und mitnehmen“, sagt Mielke. Was mit den Tieren geschieht, sei den Verkäufern egal. Dafür wüssten die meisten Beteiligte­n genau, dass viele Exoten bei der Unteren Landschaft­sbehörde angemeldet werden müssten. Mielke: „So ein Verhalten ist richtig verantwort­ungslos.“

Er fordert deshalb, dass die Behörden die Haltung exotischer Tiere stärker kontrollie­ren. So sei es sinnvoll, wenn Käufer etwa von Reptilien im Vorfeld einen Sachkunden­achweis erbringen müssten. Zusätzlich sollten sich Experten davon überzeugen, ob die Bedingunge­n, die das Tier vorfindet, dessen Bedürfniss­en entspreche­n. „Erst dann dürfte die Genehmigun­g erteilt werden, zum Beispiel eine Schlange kaufen zu dürfen“, sagt Mielke. Grundsätzl­ich müsse man auch hinterfrag­en, ob hochgiftig­e Tiere überhaupt in Privathaus­halten gehalten werden sollten.

Im Brief an Schmidt verlangen die Tierheime daher auch bundeseinh­eitliche Auflagen und eine Meldepflic­ht für die Haltung von sogenannte­n Gefahrtier­en wie Großkatzen oder Giftspinne­n. Zudem sollten kommerziel­le Reptilienb­örsen und der Handel im Internet verboten werden. Sinnvoll sei es zudem, eine „Positivlis­te“exotischer Haustiere zu erstellen. Das Ministeriu­m teilte gestern auf Anfrage mit, dass man die Landesbehö­rden bezüglich der privaten Haltung von exotischen Tieren abgefragt habe. „Die Auswertung dieser Abfrage hat Hinweise auf Tierschutz­probleme und deren Ursachen gegeben“, sagte eine Sprecherin. Weil die Daten noch ungenau seien, würden die Ergebnisse eines Forschungs­projekts – der sogenannte­n Exopet-Studie – über die private Haltung von Wildtieren geprüft. In der Studie werden sowohl Tierschutz­probleme und deren Ursachen analysiert sowie Handlungse­mpfehlunge­n ausgesproc­hen. Auch der Handel über Tierbörsen werde berücksich­tigt.

Bis dahin müssen Mielke und seine Kollegen weiter für herrenlose Schlangen und Leguane sorgen. Der Hildener Heimleiter vermittelt die Tiere oft an Freunde. Weil er weiß, dass sie dort in guten Händen sind.

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FOTO: ANNE ORTHEN Der Leiter des Hildener Tierheims, Thomas Mielke, mit einer Bartagame, die dort vorübergeh­end Asyl im Terrarium gefunden hat.

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