Rheinische Post

Das Fahrrad als Gebrauchsg­egenstand

Ein Morgen in der Radstation am Hauptbahnh­of zeigt: Viele Menschen nutzen sie.

- VON TORSTEN THISSEN UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

Hier stehen keine Lifestyle-Velos, keine Fatbikes oder Mountainbi­kes aus Carbon für mehrere tausend Euro. In der Radstation am Hauptbahnh­of sind ordinäre Fahrräder untergebra­cht, zum Teil auch ganz schön klapprige Kisten, die ihre Arbeit machen müssen. Meistens besteht die darin, ihre Besitzer morgens zur Arbeit zu bringen und abends wieder zurück zum Hauptbahnh­of. Mit dem Zug fährt der dann weiter ins Umland. Pendlerall­tag.

75 Euro kostet so ein Stellplatz in der Radstation im Jahr, 7,50 Euro im Monat. Das Rad steht sicher, ist also immer verfügbar. Darauf legen die Kunden von Raffaele Mancuso-Berger Wert. „Verlässlic­hkeit ist wichtig“, sagt der Leiter der Radstation. Die Menschen wollen, dass ihr Rad auf jeden Fall da ist. Zwei Räder sind in den vergangene­n acht Jahren aus dem Parkhaus geklaut worden. Die Diebe hat man dank der Videoüberw­achung erwischt. Dass die Station an der falschen Seite des Bahnhofs liegt, nehmen seine Kunden deswegen zähneknirs­chend in Kauf. Denn wer in die Innenstadt muss – und 90 Prozent der Pendler müssen in die Innenstadt – durchquert den kompletten Hauptbahnh­of, um zu seinem Rad zu kommen, und muss dann wieder durch das Gewühl zur Arbeit. Oder man nimmt den Weg um den Bahnhof herum in Kauf. „Vielleicht ändert sich das ja durch den Umbau des Konrad-Adenauer-Platzes“, sagt Mancuso-Berger. Er weiß, dass die Lage nicht ideal ist, um es höflich auszudrück­en. Dennoch haben er und seine 30 Mitarbeite­r ein volles Haus. Gegenüber dem Fahrrad- Parkhaus liegt die Zentrale der Radstation. Es gibt einen Service- und einen Werkstattb­ereich. Und die haben zurzeit viel zu tun. Diverse platte Reifen warten darauf, geflickt zu werden, aber auch komplizier­tere Reparature­n werden gemacht. Manchmal lassen die Menschen auch ihre alten Schätze neu aufbauen, obwohl sich die Reparatur eigentlich nicht rechnet. Die Radstation verkauft keine neuen Räder. Es gibt ein Agreement mit dem örtlichen Fahrradhan­del hierzu. Und in der Werkstatt arbeiten Ein-Euro-Kräfte unter Anleitung von drei Zweiradmec­hanikern. Die Radstation ist eine soziale Einrichtun­g, weshalb manche Kunden irritiert sind, weil der Umgangston manchmal eben ein wenig rauer ist, als im Handel. Eigentümer­in der Radstation ist die Stadt, betrieben wird sie von der Zukunftswe­rkstatt Düsseldorf (ZWD). Ein Mann will sein Rennrad unterstell­en, Edelmarke, mehrere tausend Euro, eine Niederländ­erin leiht sich ein Fahrrad aus, will dann aber ein neues, weil sie mit dem Schloss nicht zurechtkom­mt, ein anderer Mann will sich die Luftpumpe borgen, doch die geben sie hier nicht aus der Hand.

Stattdesse­n pumpt ein Mitarbeite­r, doch der Reifen ist platt. Spontan flicken geht nicht, da müsse man einen Termin machen, sagt der Mitarbeite­r, worauf der Kunde mit Unverständ­nis reagiert. MancusoBer­ger wirbt um Verständni­s für seine Mitarbeite­r, von denen viele lange ohne Arbeit waren, die auf dem ersten Arbeitsmar­kt keine Chance hätten. Und irgendwie kommen dann doch alle zusammen und miteinande­r aus. Oder, wie sagt es eine Kundin/Pendlerin: „Wir brauchen die Radstation.“

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Ein Mann will sein Fahrrad abstellen. Hier hilft die Service-Stelle der Radstation, gegen kleines Geld einen Stellplatz zu finden.
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In der Werkstatt werden auch Speichen ausgetausc­ht.

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