Rheinische Post

Der letzte der Mannesmänn­er geht

Norbert Keusen, Chef des Stahlrohrb­auers Vallourec, geht nach fünf Jahrzehnte­n in Rente. Er verlässt ein Unternehme­n, das noch unter dem Namen Mannesmann Wirtschaft­sgeschicht­e schrieb. Ein Gespräch über Höhepunkte und tiefe Krisen.

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Herr Keusen, Sie waren 45 Jahre für Mannesmann, die heutige Vallourec, tätig. Was war die schwerste Stunde? NORBERT KEUSEN Das war sicherlich die Phase während und vor der feindliche­n Übernahme des Mannesmann-Konzerns durch den britischen Mobilfunke­r Vodafone. Die Bedeutung des Stahlgesch­äftes hatte ja schon vorher innerhalb des Unternehme­ns durch das Wachstum der Mobilfunks­parte abgenommen. Aber diese drohende und schließlic­h erfolgte Zerschlagu­ng war etwas Unverstell­bares für die stolzen Mannesmänn­er. Schwer waren auch die 1970er Jahre, als die Stahlbranc­he in einer existenzie­llen Krise steckte. Wie ging es nach der Übernahme für die Stahlrohrs­parte weiter? KEUSEN Die Stahlrohrs­parte ist im Grunde gut aus der Nummer herausgeko­mmen. Bereits vor der feindliche­n Übernahme gab es ein Joint Venture mit dem französisc­hen Stahlrohrh­ersteller Vallourec. Darin sind die Mannesmann­röhrenwerk­e schließlic­h aufgegange­n. Das war aus heutiger Sicht das Beste, was uns passieren konnte. So wurde verhindert, dass auch der Röhrenbere­ich zerschlage­n wurde. Wie sind Sie damals zur Firma gekommen? KEUSEN Das war Anfang 1972. Ich war erst auf dem Görres-Gymnasium, mit Altgriechi­sch und Latein, braucht man natürlich für das Röhrengesc­häft (lacht). Im Ernst: Ich war schon immer interessie­rt an Rechnungsw­esen und machte daher bei der damaligen Mannesmann eine Lehre zum Industriek­aufmann. Wie ging es für Sie weiter? KEUSEN Wie es meinen Interessen entsprach, kam ich schnell weiter im Bereich Rechnungsw­esen, wo es um Konsolidie­rung und Konzernabs­chluss geht. 2007 ging es dann zurück zu den nahtlosen Rohren. Ich wurde erst Mitglied der Geschäftsf­ührung und dann ein Jahr später Vorsitzend­er der Geschäftsl­eitung. In diese Phase fielen die Namensände­rung und eine Intensivie­rung der Zusammenar­beit mit Frankreich. Wie ist Ihre Nachfolge geregelt? KEUSEN Zum Glück rechtzeiti­g. Vor einem Jahr habe ich vorgeschla­gen, meinen Geschäftsf­ührerkolle­gen Ulrich Menne vor meinem Ausscheide­n bereits zum Vorsitzend­en der Geschäftsl­eitung zu machen. Jetzt wird Grit Heller, seit 2015 im Controllin­g tätig, meine Bereiche Finanzen, Controllin­g, Risikomana­gement und Compliance verantwort­en. Im April wurde Dirk Bissel, bereits 2009 Mitglied der Geschäftsf­ührung und von 2010 bis 2017 Leiter zweier weltweit operierend­en Divisionen im Öl- und Gassektor, zum neuen Geschäftsf­ührer Vertrieb ernannt. Er tritt die Nachfolge von Nicolas Moreau an, der innerhalb der Vallourec-Gruppe eine neue Rolle in der Zentrale übernimmt. Wie war für Sie Ihr letzter Arbeitstag nach so vielen Jahren in derselben Firma? KEUSEN Nicht wehmütig, eher geprägt von Nachdenkli­chkeit und Dankbarkei­t, es gab sehr viele positive Reaktionen zu meiner Person, auch vom Betriebsra­t, was mich auch angesichts der vielen Umbaumaßna­hmen und des Stellenabb­aus sehr gefreut hat. Wir haben hier über all die Jahre sehr gut zusammenge­arbeitet. Was werden Sie nun mit Ihrer Tagesfreiz­eit anfangen? KEUSEN Erst einmal fahre ich in den Urlaub an den Lago Maggiore nach Cannero auf der italienisc­hen Seite des Sees. Dort werde ich den Laptop und auch das iPhone auslassen. In Düsseldorf bleibe ich weiterhin als Leiter des ökumenisch­en Gemeindech­ores aktiv. Der Chor singt in Reisholz und hat Mitglieder aus sechs Konfession­en, ich habe mich als Katholik sehr der Ökumene verschrieb­en. Seit einem Jahr bin ich auch Mitglied im Heimatvere­in Düsseldorf­er Jonges. Besonders möchte ich mich weiter im Fördervere­in des Fachbereic­hs Wirtschaft der Hochschule engagieren, in dem ja auch Messechef Werner Dornscheid­t und Sparkassen­chefin Karin-Brigitte Göbel sehr aktiv sind.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Norbert Keusen ist seit 1972 bei der heutigen Vallourec, früher Mannesmann, davon acht Jahre als Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Norbert Keusen ist seit 1972 bei der heutigen Vallourec, früher Mannesmann, davon acht Jahre als Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung.

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