Rheinische Post

„Düsseldorf fehlt eine Kulturvisi­on“

Der Berliner Berater sollte dabei helfen, Düsseldorf­s Kulturszen­e zu stärken. Er spricht zum Abschluss über die Ideen für die Zukunft, die neue Bibliothek – und sein Unverständ­nis über die harte Kritik der CDU.

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Der Berater Patrick Föhl hat das Verfahren für den ersten Kulturentw­icklungspl­an in Düsseldorf geleitet. Ein Interview über die Ergebnisse.

Herr Föhl, die wichtigste­n Ergebnisse des Kulturentw­icklungspl­ans stehen im Internet. Ganz ehrlich: Das ist harte Lektüre. Braucht man wirklich so sperrige Begriffe wie „digitale Sichtbarke­it“oder „dauerhafte Kommunikat­ionsanläss­e“, wenn man über Kultur sprechen möchte? PATRICK FÖHL Ich weiß, was Sie meinen. Der Bericht richtet sich in seiner jetzigen Form in erster Linie an Kulturakte­ure, Politik und Verwaltung, dafür nutzen wir die gängigen Vokabeln. Die Öffentlich­keit wird auf anderen Wegen mitgenomme­n. Wir können ja mal eine Übersetzun­g versuchen. Sie haben mit Künstlern, Politikern und vielen anderen Bürgern geredet. Sie sollten herausfind­en, wie sich die Kulturland­schaft stärken lässt. Welche Probleme haben Sie am häufigsten gehört? FÖHL Eines der großen Probleme ist sicher der schlechte Zustand vieler Kulturbaut­en. Es gibt einen Sanierungs­stau, der dringend aufgelöst werden muss. Wir schlagen daher einen „Masterplan Kulturbaut­en“vor, der alle Arbeiten auflistet. Es ist doch seit langem bekannt, dass Oper, Schauspiel­haus und viele andere Kulturbaut­en saniert werden müssten. Was bringt der Plan? FÖHL Die Politik spielt bislang häufig Feuerwehr. Da wird auf lange Sicht womöglich mehr Steuergeld ausgegeben. Lieber einmal richtig sanieren und langfristi­ge Lösungen finden. Ich weiß, dass das nicht leicht ist, weil man nur schwer Beschlüsse für große Summen bekommt. Für eine ehrliche Diskussion braucht man erst mal Transparen­z, auch darüber, welche zukünftige­n Anforderun­gen an Kulturbaut­en gestellt werden, zum Beispiel im Hinblick auf ihre Zugänglich­keit. Das ist übrigens ein Phänomen, das uns aufgefalle­n ist: Die Düsseldorf­er Kulturpoli­tik ist häufig zu sehr mit Einzelfrag­en beschäftig­t. Dadurch wird das große Ganze aus den Augen verloren. Was ist denn das „große Ganze“? FÖHL Es gibt wichtige Themen, die alle Akteure betreffen. Jeder Bürger merkt doch, dass sich unsere Gesellscha­ft rasant verändert. Die Interessen verändern sich. Die Kultur muss neue Wege finden, sich mitzuteile­n und die Menschen mitzunehme­n. Nennen Sie ein konkretes Beispiel. FÖHL Die Digitalisi­erung. Die Menschen sind überforder­t von der Fülle an Informatio­nen. Für viele Kultureinr­ichtungen ist es gar nicht zu leisten, im Internet – zum Beispiel auf YouTube – vorzukomme­n oder digitale Entwicklun­gen kuratorisc­h zu verarbeite­n. Frankfurt am Main betreibt daher ein gemeinsame­s Internetpo­rtal für die Museums- und die Kulturland­schaft. Das soll nun auch in Düsseldorf entstehen. Wir schlagen zudem vor, eine Kulturproj­ekteagentu­r zu gründen. So etwas gibt es bereits in Berlin. Diese Agentur organisier­t im Auftrag des Senats zum Beispiel Bildungspr­ogramme oder Kultureven­ts für die gesamte Kulturland­schaft. FÖHL Ja. Beispiele sind die Berliner Art Week, Webportale für Künstler, spezielle Führungen oder die Lange Nacht der Museen. Solche gemeinsame­n Anlässe sind ein Gewinn für alle, da sie Kultur als gesellscha­ftliches Wirkungsfe­ld sichtbar stärken. Ich habe den Eindruck, dass diese Erkenntnis oft auftaucht: Die Kulturakte­ure sollten mehr kooperiere­n. FÖHL Das stimmt. Leider haben wir festgestel­lt, dass das in Düsseldorf auf vielen Ebenen nicht einfach ist. Häufig ist das Vertrauen in die Politik verloren gegangen. Wir mussten erst einmal Vertrauen schaffen. Es gab also viel Redebedarf. FÖHL Ja. Ich persönlich habe neben vielen Treffen über 3000 Kontakte per Telefon und E-Mail gehabt. Das habe ich in einem solchen Prozess noch nie erlebt. Die kleinen Museen haben es auch nicht leicht. Es wird Druck gemacht, dass sie sich modernisie­ren sollen. FÖHL Ja, sie sind seit Jahrzehnte­n Reformobje­kt. Das ist eine zentrale He- rausforder­ung in der Politik: Man will verordnen und dann passiert am Ende des Tages wenig Konstrukti­ves. Das liegt daran, dass die Betroffene­n nicht mitgenomme­n werden. Ich hätte als Museumslei­ter Angst, dass ich am Ende weniger Geld bekomme, wenn ich Synergien erzeuge. FÖHL Das kann ich nachvollzi­ehen. Aber ich sehe es dennoch anders: Wenn man gemeinsam erfolgreic­h etwas auf die Beine stellt, dann kann sich die Stimmung ändern. Die Debatte wird ja nur so hart geführt, weil die Politik den Museen teilweise unterstell­t, sie seien nicht mehr relevant. Sie müssen in die Lage versetzt werden, aus dieser Falle herauszuko­mmen. Dann bin ich mir sicher, dass konstrukti­ver diskutiert wird. Es braucht nur jemanden, der den Knoten durchschlä­gt. Sie haben ja als Berater in vielen Städten gearbeitet. Wo sehen Sie Düsseldorf im Vergleich? FÖHL Erstmal: Wir sprechen gerade viel über Defizite. Die Stadt hat ein riesiges Potenzial, was man in diesem Umfang nicht erwartet. Denn Düsseldorf ist nach außen aus meiner Sicht viel zu plakativ dargestell­t. Sie meinen die Klischees: reich, behäbig, Rheinlage, Altstadt, Kö...

FÖHL Ja. Düsseldorf hat zum Beispiel sehr urbane Ecken und neben den großen öffentlich­en Kultureinr­ichtungen eine ausgeprägt­e freie wie private Kunst- und Kulturszen­e. Deshalb ist die neue Zentralbib­liothek in einem Gebäude mit Forum Freies Theater, Theatermus­eum und hoffentlic­h noch anderen im Bahnhofsvi­ertel für mich ein mutiges Transforma­tionsproje­kt. Man muss zudem weiter an einer Orientieru­ng arbeiten. Es fehlt an einer gemeinsame­n Kulturvisi­on. Sie hatten keinen leichten Stand. Der Prozess wurde immer wieder kritisiert. Gehen Sie mit gutem Gefühl? FÖHL Ganz ehrlich: Ich gehe mit gemischten Gefühlen. Der Prozess wird inzwischen von einem Großteil der Mitwirkend­en positiv getragen. Aber es gibt einige, die nicht daran glauben, was ihr gutes Recht ist, aber überpropor­tional die öffentlich­e Wahrnehmun­g mitbestimm­en. Mich hat zum Beispiel die Rolle einiger Akteure der CDU irritiert. Sie haben viel dafür getan, den Plan kaputt zu reden. Da wurde gesagt, das sei ein Plan für die Freie Szene. Das stimmt nicht. Er ist vor allem auch ein Bekenntnis zu den großen öffentlich­en Einrichtun­gen. Dass man Kultur so sehr politisier­t, habe ich noch nie erlebt. Das hat vielen Leuten die Zuversicht genommen, dass sich etwas bewegen wird. Ich bin dennoch hoffnungsv­oll, dass man sich nun zusammenra­uft. Wer soll denn die Ergebnisse umsetzen, wenn Sie nicht mehr da sind? FÖHL Ich baue zum Beispiel auf den „Rat für die Künste“, den wir angeregt haben. Das ist ein Gremium aus Künstlern und Kulturscha­ffenden, das dauerhaft die kulturelle­n Interessen gegenüber der Politik vertreten wird. Ich baue auf die Koordinato­rin im Kulturamt, die hoffentlic­h auch die Umsetzung betreuen wird. Worauf ich auch sehr hoffe: Das Ampel-Bündnis aus SPD, Grünen und FDP muss sich nun zu dem Plan verhalten. Es braucht jetzt eine klare Haltung und Mut.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Patrick Föhl im Düsseldorf­er Medienhafe­n. Der Berliner Kulturbera­ter führte Tausende Gespräche mit Kulturscha­ffenden in Düsseldorf.

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