Rheinische Post

Nach dem Abi ins soziale Jahr

Dank verkürzter Schulzeit sind die Abiturient­en heute jünger. Viele wollen sich auch deshalb nach dem Abschluss erst einmal orientiere­n und gehen ins Freiwillig­e Soziale Jahr. Und das ist vielfältig­er als viele denken.

- VON JULIA RIEGER

Franziska und Jordis haben soeben ihre mündliche Abiturprüf­ung gemacht. Die eine in Deutsch, die andere in Mathe. Jetzt stehen sie in der Sonne vor dem Luisen-Gymnasium, endlich fertig mit dem Abi, nein, mit der Schule insgesamt. Aber was kommt jetzt?

Franziska weiß genau, was sie will: für ein Freiwillig­es Soziales Jahr (FSJ) geht sie nach Südafrika. „Ich will etwas Sinnvolles tun und Menschen helfen, denen es nicht so gut geht wie uns hier.“Außerdem wollte sie unbedingt ins Ausland. Jordis weiß schon lange, dass sie nach dem Abi direkt studieren will. „Aber wenn ich nicht wüsste, was ich machen will, dann würde ich auch erst ein FSJ machen.“Man werde dadurch selbststän­diger, denkt ihr Mitschüler Adam. „Da merkt man wahrschein­lich, wer man selber ist, und was man will.“Er möchte auch für ein FSJ ins Ausland gehen – den Freiwillig­endienst inklusive toller Erfahrung kann man aber auch direkt hier vor der Hautür machen.

Das Bild, das viele von einem FSJ hätten, ist das eines Jugendlich­en, der sich für ein Jahr sozial engagiert, in Schulen, Einrichtun­gen für Men- schen mit Behinderun­g oder mit Kindern. Es gibt aber auch FSJ-ler in Einrichtun­gen, in denen man sie gar nicht vermuten würde. Zum Beispiel in der Tonhalle in Düsseldorf. Linus Kröger und Jasper Möslein machen seit vergangene­m September ihren Freiwillig­endienst im Bereich Kultur.

In der Tonhalle sind sie mit für die Öffentlich­keitsarbei­t verantwort­lich – Kamera und Social Media statt Bücher in der Schule. Beide sind musikalisc­h sehr interessie­rt. „Ich konnte mich nicht für ein Studium entscheide­n, und dann war das hier die perfekte Lösung“, sagt Linus. Sie lernen im FSJ, eigene Projekte zu erarbeiten. Das Konzept für den Instagram-Auftritt der Tonhalle haben sie entwickelt und führen es jetzt auch durch. „Das ist ein bisschen Learning-by-doing“, sagt der 18jährige Jasper.

Für die beiden hat sich das FSJ jetzt schon gelohnt: Sie sind sicher, dass sie Kulturwiss­enschaften studieren wollen. „Man hat auch mal ins Arbeitsleb­en reingeschn­uppert und sammelt Erfahrunge­n, zum Beispiel hab’ ich total viel über Musik gelernt“, sagt Jasper begeistert. „Man kann sich anders als in der Schule mehr mit sich auseinande­r- setzen: Wie möchte ich arbeiten und welche Interessen habe ich?“, sagt sein Kollege Linus. Er ist sich sicher, das FSJ ist eine wertvolle Erfahrung. Und was ist das Beste an ihrer Arbeit für die kulturbege­isterten Freiwillig­en? „Die kleinen Sachen“, sagt Jasper. „Wenn du in deinem Büro sitzt und plötzlich Christian Ehring in der Tür steht und Moin sagt, das ist schon cool.“Auch für Kübra zählen die kleinen Momente, die sie in ihrem FSJ erlebt: Die 18-Jährige ist seit einem Monat Freiwillig­e bei den Johanniter­n im Regionalve­rband Rhein-Ruhr. Im Moment arbeitet sie im Hausnotruf. Wenn ein Bewohner den Notknopf drückt, kommt sie zur Hilfe. „Man lernt viele Menschen kennen, das macht Spaß“, sagt sie. Sie macht das FSJ aber noch aus einem anderen Grund: Sie möchte Medizin studieren. „Ich war schon immer medizinisc­h interessie­rt, hier kann ich erste Erfahrunge­n sammeln.“Gerade hat sie die Ausbildung zur Rettungshe­lferin gemacht. Bald darf sie auch beim Krankentra­nsport arbeiten. Die Arbeit im Team gefällt ihr, ihre Arbeitstag­e sind immer abwechslun­gsreich. „Und so ein FSJ ist ja immer eine gute Sache“, sagt Kübra.

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RP-FOTO: JULIA RIEGER Linus Kröger (l.) und Jasper Möslein machen ein FSJ. In der Tonhalle arbeiten sie am Instagram-Auftritt. Eine Kamera haben sie immer dabei.

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