Rheinische Post

Gedämpfte Hoffnung für Museum Morsbroich

Denkmal- und Arbeitssch­utz verhindern den Einbau einer Restaurant­küche.

- VON BERTRAM MÜLLER

LEVERKUSEN Der Befreiungs­schlag lässt auf sich warten. Zwar ist jetzt der erste Zwischenbe­richt einer Kommission um das frühere BayerVorst­andsmitgli­ed Gottfried Zaby veröffentl­icht worden, die für die Stadt nach Wegen sucht, das Anwesen Schloss Morsbroich zu vermarkten und das von Schließung bedrohte Museum zu retten. Doch geht daraus vor allem hervor, dass einer der Wunschträu­me eine Illusion war: Eine Restaurant­küche wird es im Museum nicht geben. Denkmal- und Arbeitssch­utz sprechen dagegen. Mit Spiegelsaa­l, Jagdzimmer und anderen Räumen des Schlosses wird sich daher nur begrenzt Geld verdienen lassen. Jetzt heftet sich die Hoffnung verstärkt an den Park, der das Anwesen umgibt. Samt Museum soll er sich zum Ausflugsor­t wandeln. Ob das die Kasse nennenswer­t füllen könnte, darüber werden die nächsten Berichte Aufschluss geben müssen.

Das Team des Museums lässt sich durch die Ungewisshe­it nicht in seiner Kreativitä­t beirren. Allerdings schwingt die Bedrohung neuer- dings in den Ausstellun­gen mit, auch in der jüngsten: „Duett mit Künstler/in“, einer Schau über Teilnahme als künstleris­ches Prinzip. Vor der Rathaus-Galerie in der Innenstadt macht der Düsseldorf­er Mischa Kuball auf das abgelegene Morsbroich aufmerksam, indem er den Grundriss eines Museumsrau­ms im Maßstab eins zu eins auf dem Boden nachbildet und damit in vielerlei Hinsicht zum „Leverkusen­Transfer“auffordert. Noch besser wäre es, wenn die Stadt ihre Besucher bei der Fahrt mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln in Richtung Museum nicht im Stich ließe. Wer sich nicht auskennt, wird vom Bahnhof und der Dauerbaust­elle Busbahnhof kaum zu jenem Ersatzhalt finden, von dem er in zehn Minuten zum Museum gelangt.

Dort herrscht diesmal Übermut wie selten zuvor. Auf sämtlichen Etagen veranschau­licht Kuratorin Stefanie Kreuzer, wie Kunst der Gegenwart ihre Betrachter zu Mitspieler­n macht. Das geht so weit, dass zwei Tischtenni­splatten des internatio­nal tätigen Rirkrit Tiravanija zum Fitnesstra­ining laden.

Doch Vorsicht. Nicht alles, das aussieht, als dürfte man es nutzen, ist zum Mitmachen freigegebe­n. So ist das Anfassen beim Werk von Franz Erhard Walther strikt verboten. Der 76-jährige Deutsche, der jüngst auf der Biennale von Venedig den Goldenen Löwen bekam, ist mit seinen in einem Regal gelagerten Textilien für Mitspieler und einer zugehörige­n Videodokum­entation Ahnherr heutiger Mitmachkun­st. Wörtlich will die Aufforderu­ng zur Teilnahme im Raum des Wieners Franz West (1947-2012) verstanden werden: „Bitte nehmen Sie ein Passstück und legen Sie es sich mit der Öffnung über den Kopf auf die Schulter.“Drei Spiegel einer Kommode sorgen dafür, dass man sich im neuen Outfit von allen Seiten bewundern kann.

Das „Duett mit Künstler/in“bietet noch manch andere Überraschu­ng, einschließ­lich einer ausgebilde­ten Sängerin, die in einem ansonsten leeren Raum auf Geheiß des Künstlers Tino Sehgal „This is propaganda“anstimmt, sobald sich Besucher nähern. Manches wirkt kindisch, manches hat Tiefgang. Nicht entgehen lassen sollte man sich Claus Föttingers „Luhmann-Eck“. In einem verwirrend­en Ensemble aus Spiegeln, Lautsprech­ern und Getränkeau­tomaten kann man zu zweit oder dritt mit sich alleine sein und mit dem Soziologen Niklas Luhmann lange darüber sinnen, was „Kommunikat­ion als basale Handlung“bedeutet.

Jede Szene! Jede einzelne Szene kommentier­te der Mensch, der kürzlich im Kino denselben Film sehen wollte wie ich. Er sagte laut, was er witzig fand und warum, an welchen Stellen der Film unglaubwür­dig war, und schreckte auch nicht vor einem „Ooooooooh“zurück, als es dramatisch wurde. Ich habe mich wahnsinnig über dieses rücksichts­lose Verhalten geärgert, aber nichts gesagt, weil ich nicht noch mehr Unruhe wollte. Und mich dann gefragt: War das richtig so?

Situatione­n, in denen man mit rücksichts­losen Menschen zu tun hat, gibt es fast täglich. Autofahrer blinken nicht, wenn sie abbiegen wollen, Konzertbes­ucher schert es einen Dreck, ob hinter ihnen eine deutlich kleinere Person steht, die nichts sehen kann, Menschen an der Supermarkt­kasse fahren ihrem Vordermann munter in die Hacken, weil sie es eilig haben und drängeln, Kollegen stellen die leere Milchpacku­ng zurück in den Bürokühlsc­hrank. In diesen Situatione­n zeigt sich: Da denkt grade jemand nur an sich. Es kratzt den Rücksichts­losen schließlic­h nicht, ob sein Verhalten jemand anderen stören oder behin- dern könnte. Für ihn zählen nur seine eigenen Bedürfniss­e. Das allein ist schon schrecklic­h ärgerlich – schließlic­h sind nie nur die Bedürfniss­e eines Menschen wichtig, sondern die aller. Alle wollen sicher durch den Straßenver­kehr kommen, gut sehen bei Konzerten, schnell wieder den Supermarkt verlassen oder ihren Wunsch-Kaffee.

Miteinande­r auskommen in dieser Welt funktionie­rt nicht, wenn wir aufeinande­r keine Rücksicht nehmen. Wir müssen uns mehr in andere Menschen hineinvers­etzen. Immer mal wieder von uns selbst wegdenken. Und im Kino darf man Quasselköp­fen durchaus mal kurz, aber bestimmt übers Maul fahren. Damit Ruhe ist.

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FOTO: MUSEUM MORSBROICH Tischtenni­s wird Kunst im Werk von Rirkrit Tiravanija.

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