Rheinische Post

Bürgerdial­og räumt mit Vorurteile­n über die Ellerstraß­e auf

Flüchtling­sbeauftrag­te Miriam Koch hatte zum Thema „Orient in Oberbilk: Sehnsuchts­ort oder Verbrecher­nest“eingeladen.

- VON STEFANIE THRUN

OBERBILK Jamal Omeirate lebt seit fast 20 Jahren an der Ellerstraß­e. Der Familienva­ter schätzt den Stadtteil sehr und hat nie Probleme bemerkt, die durch eine einseitige Bevölkerun­g entstanden sein sollen. Für ihn und einige andere ist das MaghrebVie­rtel oder „Klein Marokko“ein Stück Heimat. Hier trifft man sich zum Einkaufen, auf einen Tee oder beim Frisör. Was für die einen das Zuhause weit weg von zu Hause ist, wirkt auf andere allerdings fast schon bedrohlich. In der Vergangenh­eit stand das Maghreb-Viertel immer mehr im Fokus der allgemeine­n Aufmerksam­keit. Landesweit, und sogar über die Grenzen Deutschlan­ds hinaus wurde das „Problemvie­rtel“bekannt.

Flüchtling­sbeauftrag­te Miriam Koch kam am Mittwochab­end mit Anwohnern und Interessie­rten zum Thema „Orient in Oberbilk: Sehnsuchts­ort oder Verbrecher­nest“in der Berger Kirche zusammen. Organisier­t von der Diakonie und unter der Moderation von Diakoniepf­arrer Thorsten Nolting begaben sich Koch, Dirk Sauerborn von der Polizei und Anwohner der Ellerstraß­e ins Gespräch. Die Veranstalt­ung war dabei die erste von vier, die die Diakonie zum Thema organisier­t. Ausschlagg­ebend für das Zusammenko­mmen seien die vergangene­n Schlagzeil­en zum Thema und der immer schärfere Blick auf das sogenannte Maghreb-Viertel rund um die Ellerstraß­e gewesen sein. „Der Bereich bereitete uns in den letzten Jahren zunehmend Sorgen. Er hatte sich zu einer Art Rückzugsor­t für Verbrecher entwickelt.“Dieses Problem sei aber erfolgreic­h angegangen worden und mittlerwei­le unter Kontrolle gebracht, so Dirk Sauerborn. Mittlerwei­le sei auch in diesem Stadtberei­ch wieder Routi- nearbeit möglich. Spezielle Sonderplän­e oder gar Razzien seien vorerst nicht mehr notwendig.

Flüchtling­sbeauftrag­te Miriam Koch wies einmal mehr darauf hin, dass Flüchtling­e in der Verbrecher­statistik von Oberbilk kaum eine Rolle spielen, da dort nur wenige untergebra­cht sind. Eine Frage aber beschäftig­te alle Teilnehmer: Sind zuwanderun­gsgeprägte Quartiere wünschensw­ert oder doch besser zu vermeiden? Schließlic­h gibt es auch die japanische Meile auf der Immermanns­traße oder „Little Italy“in Gerresheim, und das würde nicht bemängelt werden.

Am Ende des Abends bekamen die rund 60 anwesenden Bürger die Chance, ihre Meinungen und Ideen zu äußern. Nur wenige nahmen dies in Anspruch. Diejenigen, die es taten, hatten eigentlich durchweg Positives zu berichten. Der 27-jährige Mohamed Rhounan ist in Deutschlan­d aufgewachs­en, studiert hier und sieht vor allem eine Notwendigk­eit: nämlich die Auseinande­rsetzung miteinande­r. „Ich gehöre zu Deutschlan­d. Ich musste mich nie wirklich integriere­n, um in Deutschlan­d zu leben, ich war ja schon mitten drin. Integratio­n funktionie­rt allerdings auch nur dann, wenn zwei Leute aufeinande­r eingehen.“Einig ist man sich auch darüber, dass die Probleme, die es rund um die Ellerstraß­e gibt oder gegeben hat, nicht ignoriert, aber auch nicht extremisie­rt werden dürfen. So sieht es auch Theresa Kramer. Die 29-Jährige arbeitet für die Diakonie an der Ellerstraß­e: „Natürlich kann man das kriminelle Potenzial einiger Jugendlich­er nicht wegreden, aber man sollte auch nicht den Fokus alleine darauf setzten.“So seien zum Beispiel die Geschäftsi­nhaber und Anwohner sehr hilfsberei­t und aufmerksam, wenn es Probleme gibt.

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