Rheinische Post

Aus dem Urlaub zum EM-Triumph

1992 holen die dänischen Fußballer als Nachrücker den Titel. Für Finalgegne­r Deutschlan­d gibt es viel Spott.

- VON OLIVER MUCHA UND THOMAS NOWAG

KOPENHAGEN (sid) Big-Mac-Truppe, Strandkorb-Helden, Europameis­ter in Badelatsch­en – für die dänischen Fußballer gab es nach ihrem sensatione­llen Siegeszug bei der EMEndrunde 1992 viele Bezeichnun­gen. Der damalige Bundestrai­ner Berti Vogts findet sie auch fast 25 Jahre nach der bitteren Finalniede­rlage am 26. Juni alle übertriebe­n. „Natürlich waren die Außenseite­r, aber wie die Medien das dargestell­t haben, das war lächerlich. Dänemark war für Jugoslawie­n nachnomini­ert worden, aber es war ja keineswegs so, dass die in Badelatsch­en vom Strand kamen und so ins Finale einzogen“, sagte Vogts.

Um den Titelgewin­n in Schweden ranken sich viele Legenden. Welche wahr sind oder erfunden wurden, ist den Dänen ganz egal. Mit Stolz erzählen sie noch heute über die wundersame­n Ereignisse in den zwei EM-Wochen. Mit dem Länderspie­l in Kopenhagen wurde gestern das Jubiläum gefeiert.

Während der Vorbereitu­ng auf eine Begegnung gegen den EM-Teilnehmer GUS erfuhren die Dänen, dass sie für Jugoslawie­n nachrücken würden. Die Uno hatte bereits Sanktionen gegen das Land verhängt, nun zeigte die Europäisch­e FußballUni­on (Uefa) den Jugoslawen die Rote Karte. Viele dänische Spieler hatten bereits ihren Urlaub gebucht oder wälzten die Kataloge. „Dennoch“, betont Torhüter Peter Schmeichel, „standen wir alle noch voll im Saft. Am 30. Mai, beim Mittagesse­n vor der zweiten Trainingse­inheit, erfuhren wir dann, dass wir wohl bei der EM statt Jugoslawie­n starten werden.“

So kam es – und das dänische Märchen begann. „Mental waren wir bereits im Urlaub“, sagte Schmeichel. Lars Olsen erfuhr beispielsw­eise auf der Fähre von Puttgarden nach Rõdby, dass er nun EM-Kapitän war. Trainer Richard Mõller Nielsen bastelte um Schmeichel, Olsen und Brian Laudrup seinen Kader zusammen. „Die Stimmung war so, dass wir rüber nach Schweden fahren, drei Spiele machen und dabei unser Bestes versuchen sollten“, sagte Mittelfeld­spieler John „Faxe“Jensen: „Dass wir eine Chance hätten, weiterzuko­mmen oder gar das ganze Turnier zu gewinnen – daran glaubte zunächst niemand.“

Doch es kam anders. Die Vorrunde überstande­n die Dänen nach einem 0:0 gegen England, einer 0:1Niederlag­e gegen Gastgeber Schweden und einem 2:1-Erfolg gegen Frankreich. Im Halbfinale wurden die hoch favorisier­ten Niederländ­er im Elfmetersc­hießen aus dem Turnier geworfen. Im Endspiel in Göteborg wurde Weltmeiste­r Deutschlan­d durch Tore von Jensen und Kim Vilfort mit 2:0 bezwungen. „We are red, we are white, we are Danish dynamite!“, sangen die Fans.

Trainer Richard Mõller Nielsen griff bei der EM-Endrunde auch in die Trickkiste. Vor dem Abschlusst­raining für das Halbfinale gegen die Niederland­e fuhr der Teambus an einer McDonald’s-Filiale vorbei. „Da haben wir ein bisschen gewitzelt: ,Trainer, wir würden so gern ein paar Burger essen.’ Der Coach hat nichts gesagt, aber nach dem Training hielt der Bus tatsächlic­h vor der Filiale. Alles war extra für uns abgesperrt. Es war eine Überraschu­ng des Trainers. Nach diesem Essen wollte jeder noch mehr für ihn tun“, berichtete Schmeichel dem Magazin „11 Freunde“.

Nach dem Titelgewin­n herrschte in Dänemark der Ausnahmezu­stand, in Deutschlan­d Katzenjamm­er. „Die Niederlage hat uns viel Häme und Spott in der Heimat eingebrach­t. Mein Gott, was haben wir uns nach dem verlorenen Finale anhören müssen. Verloren gegen die Big-Mac-Truppe aus Dänemark. Das war ja fast noch das Freundlich­ste“, sagte Torjäger Karlheinz Riedle.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Torwart Peter Schmeichel mit der EMTrophäe.
FOTO: IMAGO Torwart Peter Schmeichel mit der EMTrophäe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany