Aus dem Urlaub zum EM-Triumph
1992 holen die dänischen Fußballer als Nachrücker den Titel. Für Finalgegner Deutschland gibt es viel Spott.
KOPENHAGEN (sid) Big-Mac-Truppe, Strandkorb-Helden, Europameister in Badelatschen – für die dänischen Fußballer gab es nach ihrem sensationellen Siegeszug bei der EMEndrunde 1992 viele Bezeichnungen. Der damalige Bundestrainer Berti Vogts findet sie auch fast 25 Jahre nach der bitteren Finalniederlage am 26. Juni alle übertrieben. „Natürlich waren die Außenseiter, aber wie die Medien das dargestellt haben, das war lächerlich. Dänemark war für Jugoslawien nachnominiert worden, aber es war ja keineswegs so, dass die in Badelatschen vom Strand kamen und so ins Finale einzogen“, sagte Vogts.
Um den Titelgewinn in Schweden ranken sich viele Legenden. Welche wahr sind oder erfunden wurden, ist den Dänen ganz egal. Mit Stolz erzählen sie noch heute über die wundersamen Ereignisse in den zwei EM-Wochen. Mit dem Länderspiel in Kopenhagen wurde gestern das Jubiläum gefeiert.
Während der Vorbereitung auf eine Begegnung gegen den EM-Teilnehmer GUS erfuhren die Dänen, dass sie für Jugoslawien nachrücken würden. Die Uno hatte bereits Sanktionen gegen das Land verhängt, nun zeigte die Europäische FußballUnion (Uefa) den Jugoslawen die Rote Karte. Viele dänische Spieler hatten bereits ihren Urlaub gebucht oder wälzten die Kataloge. „Dennoch“, betont Torhüter Peter Schmeichel, „standen wir alle noch voll im Saft. Am 30. Mai, beim Mittagessen vor der zweiten Trainingseinheit, erfuhren wir dann, dass wir wohl bei der EM statt Jugoslawien starten werden.“
So kam es – und das dänische Märchen begann. „Mental waren wir bereits im Urlaub“, sagte Schmeichel. Lars Olsen erfuhr beispielsweise auf der Fähre von Puttgarden nach Rõdby, dass er nun EM-Kapitän war. Trainer Richard Mõller Nielsen bastelte um Schmeichel, Olsen und Brian Laudrup seinen Kader zusammen. „Die Stimmung war so, dass wir rüber nach Schweden fahren, drei Spiele machen und dabei unser Bestes versuchen sollten“, sagte Mittelfeldspieler John „Faxe“Jensen: „Dass wir eine Chance hätten, weiterzukommen oder gar das ganze Turnier zu gewinnen – daran glaubte zunächst niemand.“
Doch es kam anders. Die Vorrunde überstanden die Dänen nach einem 0:0 gegen England, einer 0:1Niederlage gegen Gastgeber Schweden und einem 2:1-Erfolg gegen Frankreich. Im Halbfinale wurden die hoch favorisierten Niederländer im Elfmeterschießen aus dem Turnier geworfen. Im Endspiel in Göteborg wurde Weltmeister Deutschland durch Tore von Jensen und Kim Vilfort mit 2:0 bezwungen. „We are red, we are white, we are Danish dynamite!“, sangen die Fans.
Trainer Richard Mõller Nielsen griff bei der EM-Endrunde auch in die Trickkiste. Vor dem Abschlusstraining für das Halbfinale gegen die Niederlande fuhr der Teambus an einer McDonald’s-Filiale vorbei. „Da haben wir ein bisschen gewitzelt: ,Trainer, wir würden so gern ein paar Burger essen.’ Der Coach hat nichts gesagt, aber nach dem Training hielt der Bus tatsächlich vor der Filiale. Alles war extra für uns abgesperrt. Es war eine Überraschung des Trainers. Nach diesem Essen wollte jeder noch mehr für ihn tun“, berichtete Schmeichel dem Magazin „11 Freunde“.
Nach dem Titelgewinn herrschte in Dänemark der Ausnahmezustand, in Deutschland Katzenjammer. „Die Niederlage hat uns viel Häme und Spott in der Heimat eingebracht. Mein Gott, was haben wir uns nach dem verlorenen Finale anhören müssen. Verloren gegen die Big-Mac-Truppe aus Dänemark. Das war ja fast noch das Freundlichste“, sagte Torjäger Karlheinz Riedle.