Rheinische Post

Rat für Eltern beim Thema Essstörung­en

Der Verein Werkstatt Lebenshung­er bietet Eltern kreative Ansätze, wie sie einen Zugang zu Kindern mit Essstörung­en schaffen können, der für alle Familienmi­tglieder entlastend wirken kann. Am Samstag startet das dreiteilig­e Programm.

- VON SONJA SCHMITZ

Seit Jahren wandert die Ausstellun­g „Klang meines Körpers“durch Düsseldorf­s Schulen. Sie bietet Lehrern die Möglichkei­t, über Essstörung­en aufzukläre­n. Schüler können sich in der kreativen Auseinande­rsetzung mit den Bildern über Fragen der Identität klar werden, ihre Gefühle und Bedürfniss­e ausdrücken. Und auch die Eltern werden bei dem präventive­n Projekt miteinbezo­gen.

„Das Thema Essstörung­en ist oft noch ein Tabu und mit Schuld besetzt. Bei den begleitend­en Elternaben­den haben wir gemerkt, dass es wichtig ist, niederschw­ellig zu beraten, um in der Früherkenn­ung tätig sein zu können“, sagt Stephanie Lahusen. Die Musikthera­peutin ist Vorsitzend­e des Vereins Werkstatt Lebenshung­er. Gemeinsam mit Therapeute­n, Pädagogen und betroffene­n Angehörige­n hat der Verein nun ein Konzept erarbeitet, das Eltern Unterstütz­ung beim Umgang mit Essstörung­en von Kindern in der Pubertät bieten soll. „Es ist wichtig, dass sie mehr Sicherheit im Umgang mit der Erkrankung gewinnen, ihre eigenen Belastunge­n und Ressourcen erkennen und gemeinsam mit anderen an Lösungsweg­en arbeiten können“, sagt Vera Geisel, die Schirmherr­in der Werkstatt Lebenshung­er.

„Was zählt?“, heißt das Programm, das Eltern an drei Terminen, nicht nur Wissen über die psychosoma­tische Erkrankung vermittelt. Wichtig ist auch der Austausch mit anderen Müttern und Vätern. „Sie finden es sehr erleichter­nd, über das Thema mit Menschen zu reden, bei denen sie nichts erklären müssen, weil es ihnen selbst so geht“, weiß Erny Hildebrand, die für die Elternarbe­it im Verein zuständig ist. Durch die Arbeit mit der Ausstellun­g ist darüber hinaus eine große Sammlung von Einblicken in die Gefühls- und Gedankenwe­lt von betroffene­n Jugendlich­en zusammenge­kommen, in die die Eltern einen guten Einblick bekommen. „Bei un- seren Umfragen haben die Jugendlich­en mit großem Eifer niedergesc­hrieben, was ihnen wichtig ist und was sie belastet“, sagt Hildebrand.

Oft zeige sich in den Gesprächen bei den Elternaben­den zur Ausstellun­g, dass es sehr schnell nicht mehr vorrangig um das Thema Es- sen geht. „Das ist das, was sichtbar ist. Es geht aber auch um einen emotionale­n Hunger“, sagt Lahusen. Da in der Familie unausgespr­ochene Konflikte alle Mitglieder belasten, wenn auch auf unterschie­dliche Weise, unterstütz­t der Verein die Eltern bei deren Bewältigun­g. Dazu gibt es ein Set an Karten, die mit Bildern und Zitaten zur Auseinande­rsetzung mit Gefühlen, Bedürfniss­en und Nöten anregen.

Zum Thema Ängste wird Antje, 42, zitiert: „Ich habe manchmal Angst, meinen Kindern nicht so eine gute Mutter zu sein, wie es andere Frauen sind!“Die Angst von Rainer, 53, sieht anders aus: „Wenn ich versage, droht mir der soziale Abstieg.“Im Gespräch mit anderen erleben die Eltern, dass dies Themen sind, mit denen sich alle auseinande­rsetzen müssen.

Genauso wichtig ist aber auch der Austausch über die eigenen Ressourcen und welche neuen man entwickeln kann, um sich zu stärken: Kreativitä­t, Bewegung, gemeinsame Unternehmu­ng, Partnersch­aft, Konfliktfä­higkeit und Zeit für sich allein, um nur einige zu nennen. „Wenn ich mal Zeit einfach nur gemeinsam mit meiner Frau verbringen kann, ist das für mich ein großes Geschenk. Meist sind wir ja zu viert“, sagt Marcus, 31. Die Karte zeigt groß die haltenden Hände eines Paares.

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RP-FOTO: S. SCHMITZ Erny Hildebrand (l.) und Stephanie Lahusen. Die beiden Therapeuti­nnen haben für den Verein Lebenshung­er Karten entwickelt, mit denen sich Eltern über den Umgang mit Emotionen und Bedürfniss­en auseinande­rsetzen können.

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