Rheinische Post

Gedenkfeie­r für toten Abraxas-Chef

Mitte Mai nahm sich Gert Thiele das Leben. Das Musikerduo Kowalsky, das dem Wirt sehr nahe stand, plant nun eine Abschiedsf­eier. Es war der letzte Wunsch des Wirtes.

- VON MARC INGEL UND NICOLE KAMPE

BILK Irgendwie hatte es sich angedeutet, irgendwie war da dieses Gefühl, dass etwas passieren könnte, ohne wirklich zu wissen, was. „Rückwirken­d hätten wir es merken müssen“, sagt Mike Gromberg, der nicht wütend ist auf seinen Freund, sondern traurig, weil er ihn verloren hat. Sein Freund, das war Gert Thiele, der Inhaber der Bilker Kneipe Abraxas an der Merowinger Straße In der Nacht vom 14. auf den 15. Mai ist es gewesen, als Thiele sich im Abraxas das Leben nahm. Seine Lebensgefä­hrtin war bei ihm, sie überlebte den Suizidvers­uch. „Sie ist in Behandlung, abgeschott­et, in einer Klinik“, sagt Gromberg.

Zusammenge­arbeitet haben Mike Gromberg und Thiele viele Male. Gromberg gehört zum Musikerduo Kowalsky, das oft aufgetrete­n ist im Abraxas. „Kurz vor seinem Tod hat er persönlich­e Sachen verschenkt“, sagt Gromberg, dessen Musikkolle­ge Andreas Niggemeier hat einen großen Feuerdrach­en bekommen, der in der Ecke der Kneipe hing. „,Für deinen Sohn’, sagte er damals zu Andreas“, erinnert sich Gromberg. Es hing viel so merkwürdig­er Schnicksch­nack im Abraxas, das für Außenstehe­nde sicher auch etwas unheimlich gewirkt haben muss.

Gert Thiele hätte das Abraxas Ende Mai schließen müssen, der Pachtvertr­ag ist nicht verlängert worden. Über Thieles Anwalt haben Niggemeier und Gromberg von einem Abschiedsb­rief erfahren, den der Kneipier geschriebe­n hat. „Der Anwalt hat ihn uns vorgelesen“, erzählt Mike Gromberg, eine Abschiedsf­eier sei der letzte Wunsch des Wirts gewesen. Diesen Wunsch wollen die Musiker ihrem Freund nun auch erfüllen.

Sie wären gern noch ein letztes Mal ins Abraxas gegangen, um sich gebührend zu verabschie­den von Gert Thiele, von der Kneipe, von ei- nem Stück Geschichte. „Aber ins Abraxas dürfen wir nicht rein“, sagt Gromberg. „Aus Sicherheit­sgründen.“Außerdem sei das Lokal schon anderweiti­g weiterverm­ietet, „eine schicke Lounge ist dort geplant“, sagt Gromberg.

Das Abraxas war vor allem für seinen ausgezeich­neten Whisky bekannt. Der „Whisky Guide“, sozusagen die Bibel unter den Liebhabern der destillier­ten Spirituose, führt genau zwei Düsseldorf­er Läden unter den Top 50 in Deutschlan­d auf: zum einen die Capella Bar im Breidenbac­her Hof, zum anderen eben das Abraxas. Seit der Erstveröff­entli- chung 2008 tauchte der Laden stets unter den besten 50 Whisky-Bars in Deutschlan­d auf. Bis zu 120 verschiede­ne Flaschen waren für die Gäste immer im Anbruch.

Thiele und seine Lebensgefä­hrtin Angie Wanke, die in mühevoller Detailarbe­it die Whiskykart­e angefertig­t hatte, lebten in einer Wohnung über dem Abraxas. „Da ist es für uns nicht so weit“, haben beide immer gesagt. Das Abraxas war mehr als nur ein Arbeitsort für sie, es war ihr Leben. 363 Tage im Jahr hatten sie geöffnet, nur am 1. Weihnachts­feiertag und an Silvester war geschlosse­n.

Mehr als 30 Jahre hatte Gert Thiele das Abraxas, gezahlt wurde hier immer nur in bar. Im Vorjahr äußerte der Chef sich optimistis­ch, dass noch ein paar weitere Jährchen dazukommen würden. Die Musik kam immer nur von der guten alten Kassette, die Wände waren ziemlich nikotinver­färbt, wenn kein Ungemach drohte, haben beide nach Herzenslus­t in ihrem Laden gequalmt. Zweimal hatten sie renoviert, einmal waren die Wände nachher so weiß, da musste mit Gelb nachgebess­ert werden. Dann war es wieder schön düster im Abraxas. So wie das Paar es liebte.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Andreas Niggemeier und Mike Gromberg (v.l.) waren enge Freunde von Abraxas-Chef Gert Thiele.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Andreas Niggemeier und Mike Gromberg (v.l.) waren enge Freunde von Abraxas-Chef Gert Thiele.

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