Air Berlin will Bürgschaft von NRW
Die hoch verschuldete Fluggesellschaft hat Voranfragen bei den Landesregierungen in Berlin und Düsseldorf gestellt. FDP und Grüne lehnen solche Staatshilfen allerdings ab.
DÜSSELDORF (anh/gw/rky/tor) Auf der Suche nach einem Weg aus der schweren Krise bemüht sich die hoch verschuldete Air Berlin jetzt um Hilfe des Staates. Die Fluggesellschaft bestätigte, „dass wir eine Anfrage auf Prüfung eines Bürgschaftsantrages bei den Landesregierungen von Berlin und NordrheinWestfalen gestellt haben“. Das NRW-Wirtschaftsministerium und der Senat in Berlin wollten den Eingang der Anfrage nicht bestätigen. Bürgschaftsanfragen würden prinzipiell vertraulich behandelt, sagte ein Sprecher des Ministeriums.
Air Berlin steckt nach strategischen Fehlern und roten Zahlen über Jahre in einer existenziellen Krise. Allein 2016 machte das Unternehmen 800 Millionen Euro Verlust. Ob und wie viel Geld die Fluggesellschaft vom Steuerzahler erhalten könnte, ist noch offen.
Eine Voranfrage gilt auch noch nicht als Bürgschaftsantrag; Angaben zum Finanzbedarf braucht der Antragsteller noch nicht zu machen. Erst wenn Senat und Wirtschaftsministerium Air Berlin dazu auffordern, müsste die Gesellschaft ihr Geschäftsmodell vorlegen und sa- gen, wie groß die Bürgschaft ausfallen soll. Dass Air Berlin die Anfragen in Berlin und Düsseldorf stellt, liegt daran, dass sie an den Standorten je rund 2800 Mitarbeiter beschäftigt.
NRW kann grundsätzlich Landesbürgschaften bewilligen, um volkswirtschaftlich förderungswürdige und betriebswirtschaftlich vertretbare Vorhaben abzusichern. Dabei können Kredite für Betriebsmittel (wie etwa Kerosin) und für Investitionen abgesichert werden. Die Entscheidung fällt der Landesbürgschaftsausschuss nach Beratung durch Wirtschaftsprüfer. Dabei kommt es darauf an, ob das Hilfe suchende Unternehmen bei normalem wirtschaftlichem Verlauf in der Lage wäre, den Schuldendienst für seine Kredite zu erwirtschaften.
In Politik und Wissenschaft regte sich umgehend Widerstand. „Der Staat sollte auf keinen Fall mit Bürgschaften aushelfen. Das würde nur eine falsche Geschäftspolitik und schlechtes Management belohnen“, sagte Justus Haucap, der führende deutsche Wettbewerbsökonom. „Der Wettbewerb im Luftverkehr funktioniert. Dazu gehört auch, dass schlecht gemanagte Unterneh- men aus dem Markt ausscheiden, so bitter das für die Angestellten sein mag.“Zudem würden die meisten rasch wieder einen Job finden. „Mit der FDP wird der Steuerzahler nicht für Missmanagement haften“, sagte FDP-Chef Christian Lindner der „Bild“-Zeitung. Auch der Fraktionschef der Grünen im Landtag, Arndt Klocke, sieht eine Landesbürgschaft skeptisch. „Das jahrelange Missmanagement im Unternehmen kann nicht auf dem Rücken der Steuerzahler abgewickelt werden, zumal eine wirtschaftlich stabile Perspektive des Unternehmens derzeit nicht erkennbar ist“, sagte Klocke unserer Redaktion. Das Bundeswirtschaftsministerium wollte sich nicht äußern.
Air Berlin stöhnt unter der Last von mehr als einer Milliarde Schulden und gehört zu 29 Prozent der arabischen Fluggesellschaft Etihad. Der Großaktionär hat die Airline seit seinem Einstieg 2011 immer wieder stützen müssen. Seit Monaten wird darüber spekuliert, dass die Lufthansa den Arabern das Air-BerlinPaket abnimmt. Dafür müssten einerseits die Kartellbehörden zustimmen, andererseits müsste jemand die Schulden übernehmen.
Dass Air Berlin die BürgschaftsVoranfrage gestellt hat, gilt als Indiz dafür, dass Etihad die Lasten offenbar nicht mehr schultern will. Gestern brach Etihad die Gespräche mit dem Reisekonzern Tui über eine Fusion der Ferienflieger-Töchter Niki und Tuifly ab. Die Aktie von Air Berlin fiel weiter auf 87 Cent.
Air Berlin – das war einmal der freche Ferienflieger, der die behäbige Lufthansa herausforderte. Für ein Taschengeld nach Palma, Schokoherzen inklusive. Inzwischen aber steht der Name für Dauerkrise. Seit Jahren schreibt die Airline Verluste, nun scheint auch der arabische Investor die Geduld zu verlieren. Air Berlin wendet sich mit der Bitte um Hilfe an die Politik: Länder mit Drehkreuzen sollen Bürgschaften sondieren. Böse Erinnerungen an die LTU-Krise 2001 werden wach.
Im Interesse von Mitarbeitern und Passagieren ist es verständlich, dass Air Berlin-Chef Winkelmann alles versucht, um das Unternehmen zu retten. Doch aus ordnungspolitischer Sicht spricht viel gegen Bürgschaften. Die Airline ist vor allem durch eigene Fehler in die Krise geraten, die kann jetzt nicht der Steuerzahler ausbügeln. Air Berlin hat sich mit Übernahmen (auch der LTU) verhoben, schlingert seit Jahren zwischen der Strategie von Ryanair und Lufthansa hin und her. Zudem darf der Staat nur helfen, wenn er ein tragfähiges Geschäftsmodell sieht. Dazu müsste Winkelmann einen neuen Partner präsentieren und das Vertrauen der Kunden zurückgewinnen. Zuletzt aber erlebten viele Flugausfälle, Verspätungen, Kofferchaos. Die Zeit wird knapp. BERICHT: