Rheinische Post

„Das waren Lügen!“

- VON BEATE WYGLENDA Ethikverba­nd der deutschen Wirtschaft

Der frühere FBI-Chef James Comey hat bei einer Anhörung im US-Senat schwere Vorwürfe gegen Präsident Donald Trump vorgebrach­t, der ihn seines Postens enthoben hatte. Die Gründe, die Trump dafür angeführt habe, seien unzutreffe­nd gewesen. „Das waren schlicht und einfach Lügen.“Tatsächlic­h sei er gefeuert worden, um den Kurs der Ermittlung­en zu Russlands Beeinfluss­ung der US-Wahl zu ändern.

Er ist Autoritäts­person, eventuell Mentor, für manche sogar Vorbild für die eigene Berufslauf­bahn. Wenn der Chef eine Anweisung gibt, kann er von seinen Mitarbeite­rn Gehorsam erwarten. Schließlic­h sind sie an die Weisungen ihres Vorgesetzt­en gebunden und haben ihm gegenüber eine arbeitsver­tragliche Loyalitäts­pflicht zu erfüllen. Doch was, wenn der Arbeitgebe­r etwas Unseriöses oder gar Illegales verlangt – beispielsw­eise Daten zu beschönige­n, um ein Produkt besser verkaufen zu können? Oft geraten Mitarbeite­r dadurch in ein moralische­s Dilemma. Das Gewissen verlangt, sich zu widersetze­n und den Missstand zu melden. Die Loyalität gegenüber dem Chef und die Angst vor Nachteilen im Job halten zurück. Für die Präsidenti­n des Ethikverba­nds der Deutschen Wirtschaft, Irina Kummert, ist in diesen Fällen der ethische Ungehorsam jedoch alternativ­los: „Geht es um Straftatbe­stände oder massive Missstände im Unternehme­n, dann besteht sogar eine Pflicht zum Ungehorsam“, sagt sie.

Frei nach dem Motto „mitgefange­n, mitgehange­n“ermittelt die Staatsanwa­ltschaft bei Gesetzesve­rstößen gegen alle Beteiligte­n, auch gegen die Mitarbeite­r. „Zwar wird der Anordnende in der Regel stärker zur Verantwort­ung gezogen, strafrecht­lich kann aber eben auch der ausführend­e Mitarbeite­r dran sein“, erklärt Philipp Byers, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht. Es scheint, als bliebe den Mitarbeite­rn, die über Missstände Bescheid wissen, die Wahl zwischen Pest und Cholera. Denn dass sich ethischer Ungehorsam gegenüber dem Chef negativ auf die Karriere auswirken kann, machte gerade erst der Rauswurf des FBI-Chefs James Comey deutlich.

Comey bewies mehrmals, dass er sich von Präsidente­n nicht einschücht­ern lässt: 2004 verlangte Georg W. Bush von dem stellvertr­etenden Justizmini­ster, ein Abhörprogr­amm zu genehmigen, das dieser für illegal hielt. Comey weigerte sich und drohte mit Rücktritt. Bush gab nach. Bei US-Präsident Donald Trump fand Comeys Pflichttre­ue hingegen wenig Gefallen. Bereits nachdem Comey Trumps Behauptung, Barack Obama hätte ihn bespitzelt, als unhaltbar abtat, war er Trump ein Dorn im Auge. Die Ermittlung­en wegen möglicher illegaler Verbindung­en von Trumps Wahlkampft­eam zum Kreml brachten den Präsidente­n endgültig gegen den FBI-Chef auf.

„Ungehorsam­e gefährden die Integrität der Gruppe, deren Mitglieder sich unmoralisc­h verhalten. Das löst Sanktionen aus, um die Gruppe zu schützen“, erklärt Organisati­ons- und Personalps­ychologe Bernd Marcus. „Dahinter mag in Wahrheit Selbstschu­tz des ,verratenen‘ Mitglieds stehen, dieses fühlt sich aber durchaus im Recht.“Mitarbeite­r, die sich dem Chef widersetze­n oder Missstände aufdecken, gelten im Betrieb selten als Helden. Es wird versucht, sie mundtot zu machen, im schlimmste­n Fall ihre gesamte Arbeit oder gar psychische Verfassung infrage zu stellen. Trump hat Comey nicht einfach entlassen, er versuchte ihn auch zu diskrediti­eren. Er bezeichnet­e ihn als „Wichtigtue­r“, beim Treffen mit dem russischen Außenminis­ter Sergej Lawrow als „verrückt“und „Spinner“. Das Ziel: „Den Hinweisgeb­er unglaubwür­dig machen“, so Kummert.

Auch der Steuerfahn­der Rudolf Schmenger und drei seiner Kollegen sollten so abqualifiz­iert werden. Jahrelang hatten sie im Finanzamt Frankfurt V erfolgreic­h gegen Banken ermittelt. Als den Fahndern 1999 jedoch eine CD mit Daten von Steuerhint­erziehern in die Hände fiel, die ihr Geld in Liechtenst­ein versteckt haben sollen, kam aus den Reihen der CDU-Regierung in Hessen die Ansage, den Fall nicht zu bearbeiten. Die Fahnder vermuteten eine Verbindung zur CDU-Schwarzgel­daffäre und gingen gegen die Anweisung an – vorerst intern. Daraufhin bekamen alle vier mittels psychologi­schen Gutachten eine „chronische paranoid querulator­ische Störung“attestiert – sie wurden Irina Kummert

 ?? FOTO: REUTERS ??
FOTO: REUTERS

Newspapers in German

Newspapers from Germany