Rheinische Post

Mehr Videoüberw­achung in NRW

Polizei und Justiz sollen mehr Personal, eine bessere Ausstattun­g und neue rechtliche Werkzeuge bekommen. So will die künftige schwarz-gelbe Regierung das Land sicherer machen.

- VON HENNING RASCHE

DÜSSELDORF Ein Scherz musste her. Bodo Löttgen sollte verraten, was er und Joachim Stamp denn nun beruflich werden. Innenminis­ter oder Justizmini­ster? Wenn ja, in welcher Kombinatio­n? Bodo Löttgen, der Generalsek­retär der CDU, überlegte nicht lang und holte einen Scherz aus der Tiefe einer Mottenkist­e. „Sie wollen wissen, was wir werden? Wir werden gleich einen Kaffee trinken gehen“, sagte Löttgen dann eher humorlos. Im Duo mit dem stellvertr­etenden Fraktionsv­orsitzende­n der FDP, Joachim Stamp, bemühte er sich um einen lockeren, harmonisch­en Eindruck, als die beiden gestern die Beschlüsse der künftigen schwarz-gelben Landesregi­erung zum Thema innere Sicherheit vorstellte­n.

Stamp, der designiert­e Thronfolge­r von Noch-Fraktionsc­hef Christian Lindner, versprach im Gemeinscha­ftsbüro „Startplatz“im Düsseldorf­er Medienhafe­n einen „Neustart für die innere Sicherheit“. Das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaa­t solle wiederherg­estellt werden. Die Themenviel­falt der schwarz-gelben Beschlüsse ist groß. Polizei Schon im Wahlkampf hatten CDU und FDP immer wieder angekündig­t, das Personal der Polizei aufstocken zu wollen. Ein erster Schritt soll nun bei den Polizeianw­ärtern erfolgen. Noch in diesem Jahr sollen statt bisher etwa 2000 nun jährlich 2300 Nachwuchsk­räfte ausgebilde­t werden. Die Stellen der 350 Verwaltung­sbeamten bei der Polizei sollen entfristet werden und weitere 500 hinzukomme­n. Dieses Niveau soll laut Stamp bis 2022 „mindestens beibehalte­n“werden. Das Ziel: mehr Polizisten auf den Straßen. Die Anzahl der Einsatztru­pps der Autobahnpo­lizei soll sogar verdoppelt werden. Außerdem will Schwarz-Gelb Realschüle­rn den Zugang zur Polizeilau­fbahn ermögliche­n. Das sei ein „gesellscha­ftliches und bildungspo­litisches Signal gegen die Über-Akademisie­rung“, sagte Stamp. Die Kennzeichn­ungspflich­t für Polizisten will die künftige Regierung wieder abschaffen, dafür sollen Bodycams (Körperkame­ras) dauerhaft eingeführt werden. Fahndung Statt von einer „Schleierfa­hndung“spricht Löttgen nun lieber von der „strategisc­hen Fahndung“. Dabei handelt es sich um ein neues Modell, das anlassbezo­gene, aber verdachtsu­nabhängige Kontrollen der Polizei vor allem in Grenznähe ermögliche­n soll. Der Unterschie­d zur Schleierfa­hndung ist, dass es für die Kontrollen eben einen Anlass geben muss. Das könnte, so Löttgen, etwa ein Lageberich­t oder die Erfahrung eines Polizisten sein. Als Radius für diese Fahndungen könne er sich 30 Kilometer vorstellen, das sei aber noch nicht beschlosse­n. Diese Identitäts­überprüfun­gen würden auf Autobahnen, wichtigen Bundes- und Landstraße­n, aber auch auf Bahnhöfen und Flughäfen stattfinde­n. Nach „langen Diskussion­en“, erläuterte Löttgen, habe man sich gegen die Schleierfa­hndung entschiede­n. Ebenfalls anlassbezo­gen sollen Autokennze­ichen automatisc­h erfasst werden – zeitlich befristet. Überwachun­g Die Videoüberw­achung auf öffentlich­en Plätzen will Schwarz-Gelb ausweiten. Bisher ist es so, dass die Polizei an Kriminalit­ätsschwerp­unkten Videokamer­as installier­en darf. Das ist etwa am Bolker Stern in der Düsseldorf­er Altstadt der Fall. Die Kameras dürfen erst aufgehängt werden, wenn eine erhebliche Anzahl an Straftaten an dem Ort begangen wurden. Zukünftig, kündigte Bodo Löttgen an, soll die Videoüberw­achung auch präventiv eingesetzt werden dürfen. Nämlich dann, wenn es Anhaltspun­kte gibt, dass an diesen Orten Straftaten von erhebliche­r Bedeutung verabredet oder durchgefüh­rt werden. Eine flächendec­kende Überwachun­g soll es nicht geben. Terrorismu­s Gegen die Bedrohung durch Terror setzt Schwarz-Gelb auf die Einführung der elektronis­chen Fußfessel, die „rechtskonf­orm“im Polizeiges­etz in NRW eingeführt werden soll. Die Überwachun­g von Gefährdern soll auf Lücken überprüft werden und als Konsequenz auf den Fall Amri der Unterbindu­ngsgewahrs­am auf sieben Tage ausgedehnt werden. Löttgen will außerdem ein landesweit­es Lagebild zur salafistis­chen Szene erstellen lassen. Prävention­sprogramme wollen CDU und FDP stärken. Bandenkrim­inalität Gegen Clans, Banden und Rocker soll eine „Nulltolera­nz-Strategie“zur Geltung kommen. Dazu kündigte Stamp an, die mobilen Einsatzkom­mandos der Polizei personell aufzustock­en. Außerdem soll es ein Lagebild zur Kleinkrimi­nalität geben und Polizei, Ordnungsam­t und Staatsanwa­ltschaft sollen künftig Taskforces bilden können. Illegale Geldquelle­n wolle man austrockne­n. Dazu müsse auch die Einhaltung des Prostituti­onsgesetze­s überwacht werden. Justiz Auch die Gerichte, Staatsanwa­ltschaften und Justizvoll­zugsanstal­ten sollen personell und technisch gestärkt werden. Ebenso das Landeskrim­inalamt. Schwarz-Gelb will außerdem mehr Haftplätze in den Gefängniss­en schaffen. Jeder Bürger soll künftig beim Verfassung­sgerichtsh­of individuel­l Verfassung­sbeschwerd­e einlegen können. Finanzen Wie all diese Maßnahmen finanziert werden sollen, konnten Stamp und Löttgen gestern noch nicht detaillier­t erklären. Innere Sicherheit sei aber ein „Schwerpunk­t“im Haushalt, versichert­e Stamp.

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