Der Hanfbauer von Düsseldorf
Seit März ist Cannabis als Medizin in Deutschland erlaubt. Ab 2019 will die Bundesregierung Cannabis aus deutschem Anbau verkaufen. Dafür sucht sie jetzt Produzenten. Der Amerikaner Bryan Ebstyne bewirbt sich für diesen Job.
DÜSSELDORF Irgendwo zwischen Düsseldorf und Bielefeld soll ab 2018 etwas wachsen, das legal vorher noch nirgends in Deutschland wuchs: Cannabis. Jedenfalls, wenn es nach Bryan Ebstyne geht. Der 47jährige Amerikaner und Wahl-Düsseldorfer hat ein Startup gegründet und sich damit bei der deutschen Cannabisagentur um einen Auftrag als Hanfbauer beworben.
Den perfekten Ort für eine Indoor-Plantage hat er schon gefunden. Nur wo genau er liegen wird, will er noch nicht verraten. Er will die Konkurrenz nicht darauf aufmerksam machen, aber auch die Nachbarn nicht aufschrecken.
Hanf ist die meistkonsumierte Droge weltweit. An die Idee von legalen Cannabisbauern muss man sich in Deutschland erst gewöhnen – das allerdings ziemlich schnell.
Spätestens ab 2018 will die Bundesregierung die Pflanzen legal anbauen lassen. Seit März 2017 erlaubt ein Gesetz, dass Ärzte Cannabis zu medizinischen Zwecken verschreiben dürfen. Bis Ende 2016 gab es die Droge nur für rund 1000 Patienten mit Ausnahmegenehmigung in der Apotheke. Verordnet werden können Medikamente auf Hanf-Basis und die Blüten der Pflanze. Gute Ergebnisse erzielt das Kraut bei Krankheiten wie Multipler Sklerose und Rheuma, außerdem soll es die Nebenwirkungen der Chemotherapie bei Krebserkrankungen mildern.
Rund 160 Kilo Hasch wurden 2016 für die Patienten mit Sondergenehmigung aus Kanada und Holland importiert. Die neu gegründete Cannabisagentur des Bundes rechnet mit einem rasanten Anstieg der Nachfrage. Das Vergabeverfahren sieht vor, 2000 Kilogramm Blüten pro Jahr hierzulande zwischen 2019 und 2022 in professionellen IndoorPlantagen zu ernten.
Insgesamt zehn Anbauaufträge, verteilt auf drei verschiedene Cannabissorten, vergibt die Bundesre- gierung. Die Abgabefrist für Teilnahmeanträge endete am 5. Juni. Wer in die engere Auswahl kommt, wird Ende des Monats festgelegt. Welche Firmen den Zuschlag erhalten, entscheidet sich im Dezember 2017. Doch schon die Kriterien der ersten Runde sind laut Deutschem Hanfverband, der Interessensvertretung der deutschen Hanfbewegung, nicht leicht zu erfüllen: „Wer bisher illegal in Deutschland angebaut hat, darf trotz Erfahrung nicht teilnehmen. Gleichzeitig müssen Bewerber nachweisen, dass sie in den vergangenen Jahren bis zu 200 Kilogramm Cannabis auf legalem Wege produziert haben“, sagt der Geschäftsführer Georg Wurth. Ein Dilemma, das ambitionierte Hobbyzüchter, Obstbauern, Agrarexperten und viele deutsche Pharmaunternehmen aus dem Rennen nimmt. Und Leute wie Bryan Ebstyne ins Spiel bringt.
Der Amerikaner gehört zu den ersten legalen, professionellen Indoor-Cannabisproduzenten der USA. Er hat die Washington Marihuana Association, eine Nichtregierungsorganisation, die sich für den legalen Konsum von Cannabis einsetzt, ins Leben gerufen. Leaph heißt die Firma, die er im Bundesstaat Washington gegründet hat. 8000 Cannabispflanzen ergeben dort täglich bis zu zehn Kilo Blüten für den medizinischen und Freizeitgebrauch. Das ist ungefähr ein Viertel der Größenordnung, die sich Ebstyne für seine deutsche Plantage vorstellt. Seine Halle in den USA ist mit Stahlplatten geschützt. „Wir mussten ja immer damit rechnen, dass einer mit einem schweren Gefährt durch die Wand brettert, alles einsteckt, was er tragen kann, und wieder abhaut.“Zudem mussten 250 Kameras installiert werden, sogar unter den Tischen.
Die schwierigste Bedingung, um die nächste Runde der deutschen Ausschreibung zu erreichen, ist laut dem Geschäftsführer des deutschen Hanfverbandes, eine kanadische Partnerfirma für ein Joint-Venture zu gewinnen. „Dazu werden die lo- Bryan Ebstyne kalen Firmen gezwungen, weil sie nachweisen müssen, dass sie bereits Erfahrung im Anbau von medizinischem Cannabis haben.“
Trotz seiner Vorerfahrung in den USA muss auch Bryan Ebstyne diesen Nachweis erbringen. Laut Cannabisagentur sind nur Länder für diesen Nachweis zulässig, die nach dem globalen Einheitsabkommen über Betäubungsmittel aus dem Jahr 1961 produzieren. Dieses Abkommen bildet bis heute die Basis der weltweiten Drogenkontrolle. „Sie erklären nicht warum, aber die Cannabisproduktion der USA fällt laut Cannabisagentur nicht unter die Richtlinien dieses Abkommens“, sagt Ebstyne. Entsprechend groß ist der Konkurrenzkampf um Kanadas führende Produzenten von medizinischem Cannabis. Lange hat Ebstyne verhandelt, bis er einen Partner ins Boot holen konnte. Am Ende hat sein Konzept trotz allem überzeugt: Bis zu 35 Millionen Euro wird die Partnerfirma, deren Namen er derzeit noch nicht nennen darf, in sein Startup investieren.
130 Pfleger schwirren jeden Tag bei Leaph in Washington durch die Flure und achten darauf, dass jede Pflanze genau das bekommt, was sie braucht. „Menschen zu finden, die gut mit Cannabis umgehen können, wird für mich auch in NRW ein Thema“, sagt Ebstyne. Er wird zwischen 20 und 75 Angestellte brauchen, die sich um die Pflanzen küm- mern. Stellenausschreibungen für Cannabisgärtner kommen für ihn nicht in Frage. Nach über 20 Jahren in NRW ist der US-Amerikaner gut vernetzt. Allzu schwer sollte es ihm nicht fallen, Experten zu finden. Laut Bericht des Bundeskriminalamtes werden nirgends in Deutschlands so viele illegale Indoor-Plantagen ausgehoben wie in NRW. Trotzdem geht Ebstyne davon aus, dass er seinen zukünftigen Mitarbeitern viel beibringen muss. „Denn illegaler und industrialisierter Anbau sind zwei völlig verschiedene Dinge.“So-
wohl Ebstyne als auch Georg Wurth vom deutschen Hanfverband sind überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Cannabis auch in Deutschland legalisiert wird. „Man sieht das schon daran, wie stark die Cannabisagentur die Bedarfszahlen nach oben geschraubt hat“, sagt Wurth, „von 160 Kilogramm im Jahr 2016 auf zwei Tonnen in den nächsten drei Jahren.“Wurths Schätzungen zufolge deckt das den Bedarf von bis zu 13.000 Patienten. „Aber ich denke, dass wir schon Ende dieses Jahres mehr als 10.000 Patienten mit entsprechendem Rezept haben werden, obwohl es derzeit noch sehr verhalten verschrieben wird.“
In Münster, Köln und Düsseldorf jedenfalls sind Pilot-Projekte zum kontrollierten Cannabis-Verkauf in Planung. Dass die Frage nach dem richtigen Umgang mit dem Kraut auch hier ein Thema ist, zeigt sich in der Statistik des Landeskriminalamtes zu den verdächtigten Cannabiskonsumenten in NRW 2015. Demnach ist die Zahl der Cannabiskonsumenten im vergangenen Jahr in den meisten Regionen deutlich gestiegen.
Bryan Ebstynes Ziel ist es, Kleinkriminelle von der Straße zu verdrängen, indem er ihnen den Schwarzmarkt kaputt macht. Denn wird Cannabis legal verkauft, lohnt sich das Geschäft für die meisten Dealer nicht mehr.