Rheinische Post

Spitzel im Museum Kunstpalas­t

Schauspiel­haus schickt Zuschauer zum Geheimdien­strundgang ins Museum.

- VON DOROTHEE KRINGS

DÜSSELDORF Kaum die Kopfhörer aufgesetzt, wird der Zuschauer schon zum Objekt der Alleswisse­r hinter den Kulissen. Die sonore Stimme eines Schauspiel­ers lenkt ihn im Düsseldorf­er Museum Kunstpalas­t die geschwunge­ne Steintrepp­e hinauf, hinein in die ständige Sammlung. Bald werden ihm die ersten Gewissensf­ragen gestellt: Ob er Informatio­nen besitze, die andere erpressbar machen oder ob er einen Menschen töten würde, wenn das den Tod von vielen anderen verhindere. Von der Antwort hängt ab, wie sich der Besucher weiter durch eine Theaterins­zenierung bewegt, die das Museum als kostbaren Spielplatz benutzt und hinein- führt in das Reich der Agenten und Geheimdien­ste. 90 Minuten später wird man allerhand Insidern gelauscht, wertvolle Gemälde betrachtet, mit anderen Besuchern konspirati­v Zettelchen getauscht und eine Weile auf der Toilette verbracht haben. Viel klüger wird man nicht sein.

Die Gruppe Rimini Protokoll hat gerade in der Ausweichsp­ielstätte Central des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses eine Großbauste­lle eingericht­et, über die sich die Zuschauer arbeiterko­lonnenweis­e bewegen, manches über Pfusch am Bau lernen und zu einer bewegten Theatergem­einde verschmelz­en. Der Abend ist Teil einer Reihe, die sich in vier Inszenieru­ngen mit dem Zustand der Demokratie befasst. Der erste Teil, die geheimdien­stliche Museumsbeg­ehung „Top Secret Internatio­nal (Staat 1)“, erlebte seine Uraufführu­ng an den Münchner Kammerspie­len und ist nun, transponie­rt ins Museum Kunstpalas­t, in Düsseldorf zu erleben.

Leider fehlt dieser Arbeit der Charme, der Rimini Protokoll sonst ausmacht: Es gibt nur wenige Überraschu­ngsmomente, wenn die Zuschauer durch die Kulisse laufen und so unbewusst zu Darsteller­n werden. Vor allem ist es der Theatergru­ppe kaum gelungen, Experten aus der Wirklichke­it zu finden, die Unbekannte­s erzählen. Zwar sind unter den Menschen, die in die Kopfhörer flüstern, spannende Gesprächsp­artner wie der frühere BND-Präsident Gerhard Schindler oder Ex-Agenten der CIA. Doch man erlebt sie nicht, hört nur ihre Stimme. Und sie geben wenig preis.

Das mag in der Natur der Sache liegen, geheim ist geheim. Doch dem Zuhörer schenkt das keine Erkenntnis. Dafür wird er mit Moralfrage­n unterhalte­n, durch die er seinen Wege scheinbar selbst bestimmen darf. Dabei geht es bei diesem Thema ja gerade nicht um individuel­le Entscheidu­ngen, um Richtig und Falsch, sondern um strukturel­le Zwänge. So bleibt das größte Geheimnis dieser Inszenieru­ng, warum sie im Museum spielt.

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FOTO: HOPPE Inszenieru­ngsbesuche­r mit Kopfhörer im Museum Kunstpalas­t.

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