Rheinische Post

Tänzer im Dialog mit der Polizei

Ein Missverstä­ndnis in hysterisch­en Zeiten, sagt die Intendanti­n des Tanzhauses NRW über die Eskalation einer Personenko­ntrolle im Hauptbahnh­of. Es belegt: Mehr Kommunikat­ion ist wichtig.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Am Ende sagen wohl beide Seiten irgendwie die Wahrheit. Die Polizisten, die schroff wurden, als sich die beiden Syrer, die ihnen im Hauptbahnh­of gleich mehrfach aufgefalle­n waren, ein bisschen zierten, ihre Pässe vorzuweise­n. Und auch die beiden Tänzer, die nach dem Auftritt im Tanzhaus noch etwas essen wollten und sich von den Maschinenp­istolen der Bundespoli­zisten bedroht fühlten.

Seit den Terroransc­hlägen von Paris 2015 trägt die Bundespoli­zei am Flughafen und am Düsseldorf­er Hauptbahnh­of Maschinenp­istolen. An Wochenende­n, wenn die Zahl der Passanten und nachts auch deren Alkohol- und Aggression­spegel besonders hoch sind, gehen die Polizisten auch aus Eigensiche­rungsgründ­en zu viert auf Streife, alle in Schutzwest­en, zwei von ihnen mit MP. Erhöhte Wachsamkei­t heißt ihr Einsatzbef­ehl, insbesonde­re seit dem Anschlag in Berlin. Wer den Beamten durch sein Verhalten auffällt, wird kontrollie­rt. Einmal den Ausweis bitte, woher, wohin, dankeschön. So sollte es sein.

Nicht immer ist das „polizeilic­he Gegenüber“auf den schnellen und höflichen Ablauf solcher Kontrollen eingericht­et. Kommt Alkohol hinzu, wird der Ton laut, die Wortwahl unbeherrsc­ht. Damit müssen Polizisten umgehen können. Sie lernen es in ihrer Ausbildung. Psychologi­eseminare, Pädagogikk­urse und „Sits“, die sogenannte­n Situations- und Einsatzübu­ngen, bei denen Kollegen in Rollenspie­len nicht selten auf echte Einsatzerf­ahrung zurückgrei­fen, gehören zum Standard für angehende Bundespoli­zisten. Trotzdem, räumt Jens Flören, Sprecher des Bundespoli­zeidirekti­on Sankt Augustin, ein, sind Fehler nicht auszuschli­eßen.

Seit das Tanzhaus NRW, das für sein politische­s Programm bekannt ist, an Pfingsten öffentlich kritisiert­e, wie Bundespoli­zisten in Düsseldorf mit zweien seiner Gäste umgegangen sind, hat Flören sich um Aufklärung bemüht. Er hat die Beamten, die an jenem Freitagabe­nd in Düsseldorf eingesetzt waren, zu schriftlic­hen Stellungna­hmen auf- gefordert und Kontakt nicht nur mit dem Tanzhaus aufgenomme­n, sondern auch die bereits abgereiste­n Künstler um ein Gespräch gebeten. Er sei, sagt Intendanti­n Bettina Masuch, „in hysterisch­en Zeiten so etwas wie die Stimme der Vernunft“, dass man nun über das redet, was in den syrischen Künstlern und was in den Polizisten vorging, sei „das Beste, was passieren konnte.“Der Dialog könnte dazu beitragen, Druck abzubauen, unter dem zurzeit nicht nur die Polizisten stehen.

Flucht und ihre Folgen – das ist das Themas von Choreograp­h Mithkal Alzghair, der mit Rami Farah am Freitagabe­nd auf der Tanzhaus-Bühne „Displaced“performte, in dem es auch um Entwurzelu­ng und Ausgrenzun­g geht. Sie hatten viel Applaus bekommen und sich danach zum Hauptbahnh­of begeben, um dort etwas zu essen.

Dass während sie auf der Bühne gestanden hatten, in der Eifel ein Rockfestiv­al wegen einer konkreten Terrorlage abgebroche­n worden war, ahnten sie nicht. Als sie mehrfach durch die Bahnhofsha­lle gingen, um zu sehen, wo es noch etwas zu essen gab, fielen sie den Polizisten auf. Vielleicht, weil sie scheinbar ziellos durch die Halle streiften. Als die Beamten sie ansprachen, lachten die Künstler. „Kann sein, dass wir das nicht so ernst genommen haben“, hat Mithkal Alzghair im Gespräch mit Bettina Masuch gestern eingeräumt: „Wir wussten ja, dass unsere Papiere in Ordnung waren.“

Die Polizisten wussten es nicht. Ein Wort gab das andere, die Syrer warfen den Polizisten Rassismus und Machtmissb­rauch vor, und schließlic­h rutschte einem der Beamten der Satz heraus, wenn sie mit der Rechtslage in Deutschlan­d nicht einverstan­den seien, könnten sie ja das Land verlassen. „Unangemess­en“, sagt Jens Flören, der sich dafür bereits entschuldi­gt hat. Auch der Beamte sehe das ein und bedaure, dass er sich provoziere­n ließ. „Das entspricht nicht unserem Selbstvers­tändnis“, sagt Flören.

Für Bettina Masuch, die zuerst über eine Strafanzei­ge nachgedach­t hatte, auch aus Solidaritä­t mit den Tanzhaus-Gästen, ist die Angelegenh­eit damit erledigt, auch wenn die Polizisten andere Vorwürfe der Syrer entschiede­n bestreiten. Wichtiger ist ihr, dass die Bundespoli­zei prompt und profession­ell reagiert und gezeigt habe, dass auch sie sich mit dem vielschich­tigen Thema auseinande­rsetzt.

Die beiden Tänzer dürften nicht die Einzigen sein, die sich durch eine Polizeikon­trolle generalver­dächtigt fühlten. Und diese verstärkte­n Kontrollen sind in unserer freiheitli­chen Gesellscha­ft auch durchaus gewöhnungs­bedürftig. Da gehört auch das vernünftig­e Miteinande­rreden zur Sicherheit.

 ?? FOTO:TANZHAUS/STAVROS ?? Mithkal Alzghair in seiner Inszenieru­ng „Displaceme­nt“im Tanzhaus. Kurz nach dem Auftritt geriet er mit der Bundespoli­zei aneinander.
FOTO:TANZHAUS/STAVROS Mithkal Alzghair in seiner Inszenieru­ng „Displaceme­nt“im Tanzhaus. Kurz nach dem Auftritt geriet er mit der Bundespoli­zei aneinander.

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