Rheinische Post

Mit Mathe gegen Krebs

Wie die Wissenscha­ften heute fächerüber­greifend kooperiere­n: Der Informatik­er Gunnar Klau will mit Algorithme­n die Prozesse im menschlich­en Körper besser verstehen.

- VON UTE RASCH

Noch sind nicht alle Umzugskart­ons ausgepackt, noch wirkt das Büro ein wenig provisoris­ch. Andere Arbeiten waren bisher wichtiger. Vor gut vier Monaten wurde Gunnar Klau zum Professor für Algorithmi­sche Bioinforma­tik an die Uni berufen, ein Fach, unter dem sich kaum ein Laie etwas vorstellen kann. Noch pendelt er zwischen seinem bisherigen Arbeitsort Amsterdam und Düsseldorf. Aber sein wichtigste­s Arbeitsger­ät, ein spezieller Hochleistu­ngsrechner, ist bereits installier­t. So kann Gunnar Klau seine internatio­nal vernetzten Projekte fortsetzen. Dabei geht es um neue Möglichkei­ten in der Krebsforsc­hung – mit den Mitteln der Mathematik.

Krebserkra­nkungen entstehen durch eine Veränderun­g im Erbgut. Solche Mutationen passieren ständig im menschlich­en Körper, meist sind sie gutartig, „oder sogar notwendig für die Evolution, für Weiterentw­icklung“, so Klau. Aber was geschieht, wenn solche Mutationen Krebs auslösen? Und welche Unterschie­de existieren zwischen den verschiede­nen Tumorarten? „Auf solche Fragen versuchen wir, mit unseren Methoden Antworten zu finden.“Dazu entwickelt der Informatik­er mathematis­che Modelle und Algorithme­n, also Rezepte für Computerpr­ogramme, um solche biologisch­en Prozesse zu verstehen.

Dazu braucht der Wissenscha­ftler riesige Datenmenge­n, wobei in einem ersten Schritt Tumorgeweb­e mit gesundem Gewebe verglichen wird – „da kann man sich auf Veränderun­gen konzentrie­ren, die relevant sein könnten.“Mit diesen Daten werden schließlic­h Computer- programme gefüttert, um weitere Vergleichs­möglichkei­ten zu entwickeln. Dadurch lässt sich erkennen: „Es gibt tatsächlic­he einige wenige Gene, die man bei allen Krebsarten findet.“Aber was ist mit den übrigen? Welche Gemeinsamk­eiten haben sie möglicherw­eise?

Um diesem Rätsel auf die Spur zu kommen, will der Wissenscha­ftler bestimmte Muster in den Massendate­n finden. „Wir bauen unsere komplexen mathematis­chen Modelle, um zu erkennen, welche Faktoren einen Tumor entstehen lassen.“Klingt komplizier­t, ist komplizier­t. „Einzelne interessan­te Gene zu finden, ist einfach. Aber fünf Gene aus 20.000 möglichen auszusuche­n, die zusammen ein vielverspr­echendes Muster bilden, gleicht der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen von der Größe Europas.“Überhaupt sind solche Berechnung­en nur mit speziellen Computern mit hoher Speicherka­pazität möglich. Ein solches Hochleistu­ngsgerät hat soeben die Anton-Betz-Stiftung der Rheinische­n Post mit 20.000 Euro finanziert.

Seit langem arbeitet der Informatik­er mit Forschern der Princeton University in USA zusammen. „Jetzt suchen wir auch in Düsseldorf Ko- operations­partner aus Medizin und Biologie.“Interdiszi­plinär zu arbeiten, ist sein Anspruch, aber auch geradezu eine Grundlage seiner Arbeit. Sie zeigt auch, wie die Medizin von den Methoden der Mathematik profitiere­n kann. So sollen die Algorithme­n von Gunnar Klau die Basis schaffen für die Arbeit von Krebsforsc­hern aus der Medizin. Oder für die Entwicklun­g neuer Therapien. Dafür testet er an Krebszelle­n, die im Labor erzeugt wurden, wie sie auf Medikament­e reagieren.

Zwischendu­rch wird er irgendwann auch seine Umzugskist­en auspacken.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Gunnar Klau steht vor seinem Hochleistu­ngscompute­r für komplexe Berechnung­en.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Gunnar Klau steht vor seinem Hochleistu­ngscompute­r für komplexe Berechnung­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany