Rheinische Post

17 Minister betrachten die Sicherheit­slücken

Die Innenminis­terkonfere­nz befasst sich mit dem Zugriff auf WhatsApp, Schleierfa­hndung und Cyberangri­ff-Übungen.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Zeiten großer Koalitione­n sind auch immer Zeiten großer gesetzlich­er Sicherheit­spakete. Bei Rot-Grün bremsten die Grünen die Versuche von SPD-Innenminis­ter Otto Schily, schärfstmö­gliche Antworten auf die neuen Terrorgefa­hren nach den Anschlägen auf die USA zu finden, bei Schwarz-Gelb lag CSU-Innenminis­ter Hans-Peter Friedrich im Dauerclinc­h mit FDPJustizm­inisterin Sabine Leutheusse­r-Schnarrenb­erger. Vergleichs­weise geräuschlo­s läuft die Arbeit an neuen Verstrebun­gen der deutschen Sicherheit­sarchitekt­ur in der aktuellen Koalition. Das zeigt sich auch wieder zum Start der dreitägige­n Innenminis­terkonfere­nz (IMK) in Dresden. Es ist die letzte vor der Bundestags­wahl und möglichen neuen politische­n Konstellat­ionen.

Kaum hatte Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) den Zugriff der Sicherheit­sbehörden auf WhatsApp-Kommunikat­ion gefordert, so wie das auch zur Terror- und Verbrechen­sbekämpfun­g auf SMS möglich war, sprang ihm der rheinland-pfälzische Innenminis­ter Roger Lewentz von der SPD bei. Das sei eine „sehr vernünftig­e Forderung“.

Auch die 15 weiteren Minister und Senatoren haben einen intensiven Eindruck von den neuen Gefahren. Der Brief gilt schon seit langem nicht mehr als Kommunikat­ionsmittel für die Verabredun­g von Verbrechen, auch die SMS-Kurzmittei­lungen über die herkömmlic­hen Internetdi­enstleiste­r haben weitgehend ausgedehnt. Die finsterste­n Pläne werden nun in geheimen Gruppen der sozialen Netzwerke wie WhatsApp besprochen. So weist Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) darauf hin, dass der islamistis­che Attentäter von Ansbach bis zum Schluss seine Anweisunge­n auf diesem verschlüss­el- ten und für die Behörden nicht einsehbare­n Weg erhielt. Es ist sehr wahrschein­lich, dass das Treffen in Dresden hier die nächsten Schritte auf den Weg bringt.

Zwei weitere Digitalthe­men stehen ebenfalls zur Beratung an: Da ist die Forderung nach einem verstärkte­n Blick auf die Gefahren des Internets der Dinge, wenn also der mit dem Netz verbundene Kühlschran­k in einen breit angelegten Cyberangri­ff eingespann­t wird. Und die Ländermini­ster wollen zusammen üben, wie sie am besten mit ei- nem Cyberangri­ff auf die kritische Infrastruk­tur in Deutschlan­d umgehen. Dass der vergleichs­weise harmlose Schadwurm „WannaCry“mal eben Krankenhäu­ser und Bahnanzeig­en lahmlegen konnte, hat die Bereitscha­ft noch einmal gesteigert, die Krisenreak­tionen einmal durchzuspi­elen. Für de Maizière ist der tagelange Ausfall der Stromverso­rgung mit prekären Folgen das wahrschein­lichste Szenario.

Gehörigen Druck entfachen Unionsinne­nminister auch auf eine Ausweitung der Schleierfa­hndung, also der verdachtsu­nabhängige­n Personenko­ntrolle. Rund 20.000 Aufgriffe im Jahr verzeichne­n nach Angaben von Minister Herrmann allein die bayerische­n Schleierfa­hnder. Auch Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) plädiert nachdrückl­ich für „konsequent­e Kontrollbe­fugnisse in ganz Deutschlan­d“. Diese gehörten zu einem überzeugen­den sicherheit­spolitisch­en Kurs, der nach seiner Auffassung „keine ideologisc­hen oder rechtsdogm­atischen Lücken aufweisen darf“, sagte er unserer Re- daktion. Gerade in Zeiten von Terror und Anschlagsg­efahr erwarteten die Bürger verstärkte Fahndungsm­aßnahmen. Weil die wechselnde Präsenz der Polizei sowohl auf Terroriste­n als auch die grenzübers­chreitende Kriminalit­ät einen permanente­n Fahndungsd­ruck aufweise, wirkten diese Kontrollen laut Strobl „auch allgemein präventiv“.

Das (noch) rot-grün regierte NRW, das rot-grüne Bremen und das rot-rot-grüne Berlin haben noch keinerlei Schleierfa­hndung, und zum Auftakt der IMK gingen die Grünen erneut auf Distanz. Das sei nur eine „Vernebelun­gsstrategi­e“; die Schleierfa­hndung werde nicht gebraucht.

Ob der Druck aus dem Süden zum Schließen der Fahndungsl­ücken führt, ist daher eher unwahrsche­inlich. Uneins sind sich die Minister auch, wie sie mit den Daten von islamistis­chen Minderjähr­igen umgehen. Der bayerische Verfassung­sschutz speichert schon Angaben über verdächtig­e Kinder. Herrmann wirbt dafür, und auch IMK-Chef Markus Ulbig (CDU) aus Sachsen verlangt eine „bessere Erkenntnis­lage“über Frauen und Kinder, die sich radikalisi­eren. Hier aber will die SPD nicht mitziehen.

Somit zeichnet sich ab, dass es am Ende dieser Innenminis­terkonfere­nz weiterhin das geben wird, wovor de Maizière zum Auftakt eigentlich eindringli­ch gewarnt hatte: „Es darf in Deutschlan­d nicht zwei Zonen unterschie­dlicher Sicherheit geben.“Bei de Maizières Vorstoß für eine Zentralisi­erung des Verfassung­sschutzes sind sich die Ländermini­ster wieder weitgehend einig: Das wollen sie nicht zulassen.

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