Rheinische Post

Aktiv und frei trotz Behinderun­g

Selbst, wenn man blind oder taub ist, kann man Golf spielen oder mit Profis singen. Zwei Beispiele zeigen, wie das geht.

- VON ALESSA BRINGS UND TINO HERMANNS

Eine Behinderun­g bedeutet Einschränk­ungen in vielen Bereichen des Alltags. Doch längst nicht alles, was schwierig erscheint, ist auch unmöglich. Zwei Beispiele zeigen, wie mit Flexibilit­ät und Engagement Freizeitak­tivitäten für Menschen mit Behinderun­g ermöglicht werden können.

Auch Sehbehinde­rte und sogar Blinde können Golf spielen, wie ein Dutzend Düsseldorf­er auf der Anlage des GC Grafenberg auf der Rennbahn bewiesen haben. „Für uns ist es etwas völlig Neues. Wir können Golf ja auch am Fernseher nicht verfolgen“, sagt Sascha Eick. „Ich hatte keine Vorstellun­g davon, wie Golf aussieht. Ich wusste, dass man Schwung holt, hatte aber keine Ahnung, wie der aussieht. Ich war total überrascht von der Komplexitä­t der Bewegung.“

Die Ahnung vermittelt­e Golf-Profession­al Joachim Wittmann. „Das war eine Super-Erfahrung. Ein Training mit Blinden ist nicht viel anders als mit Sehenden. Die Abläufe sind dieselben. Man kann ganz normalen Unterricht machen. Einzig das Vormachen fällt weg“, so Wittmann. „Blinde haben sogar den Vorteil, dass sie sich viel mehr auf die Bewegung, die Position ein- und den Schläger arbeiten lassen. Sie versuchen nicht, Schläger und Ball den eigenen Willen aufzuzwing­en.“So erfühlten sich die Golfkurste­ilnehmer den Weg in das Spiel mit den vielen Schlägern und dem klei- nen weißen Ball mit den Dellen. „Den Unterschie­d zwischen den Grashöhen auf Fairway, Vorgrün und Grün kann man schon mit den Füßen ertasten. Erstaunlic­h ist, wie lang so ein Loch ist und wie weit ein Ball fliegen kann“, meint Elisabeth Stiebeling. Sie ist Vorsitzend­e des Blinden- und Sehbehinde­rtenverein Düsseldorf (BSVD) und hat gemeinsam mit dem Mitglied des GC Grafenberg, Uwe Börner, den Schnupperk­urs organisier­t. „Ich bin mit einer blinden Frau verheirate­t und kannte Elisabeth. Und als der Deutsche Golf Verband vor vier Jahren die Regeln für Sehbehinde­rte änderte und es erlaubte, unter anderem akustische Hilfen zu geben, war mir klar, dass wir mal eine Golfeinfüh­rung für Blinde bei uns im Club anbieten sollten“, sagt Börner.

Ein anderes Angebot für Menschen mit Behinderun­g gibt es in der Musik. Die Musikpädag­ogin Katharina Dohmen arbeitet mit Hörgeschäd­igten und Gehörlosen zusammen und singt mit ihnen. 2015 startete sie im Rahmen ihrer Bachelorar­beit die Initiative „Fühl mal, wie Du klingst“. Sie begleitete zwei Jahre lang Schüler der dritten und vierten Klasse von der LVR-Gerricus-Schule in Gerresheim, die von gehörlosen oder hörgeschäd­igten Kindern besucht wird. Damit Dohmen verstanden wurde, vernetzte sie ein Mikrofon mit einer Anlage, die Frequenzen moduliert. So konnte sie jeder verstehen. Bei den Gesangsübu­ngen geht es darum, die Töne zu fühlen. Hohe Töne würden die Kinder an der Schädeldec­ke füh- len, tiefe hingegen im Bauchberei­ch, so Dohmen. Zusätzlich arbeitete sie mit erwachsene­n Mitglieder­n des Chors „Tonzeichen“. Die Sänger singen nicht nur mit ihrer Stimme, sondern parallel dazu in Gebärdensp­rache. „Ich wollte den Unterschie­d zwischen der Arbeit mit Kindern und Erwachsene­n feststelle­n“, sagt Dohmen. Eines sei gleich: Die Freude über ein Erfolgserl­ebnis. „Die kleinen Fortschrit­te sind gerade für Kinder riesige Erfolge“, sagt Dohmen, Die Freude der Sänger über eine erfüllte Aufgabe sei unbezahlba­r.

Mit ihrer Initiative hat Katharina Dohmen beim siebten Hochschulw­ettbewerb Musikpädag­ogik der Rektorenko­nferenz der deutschen Musikhochs­chulen den zweiten Platz gewonnen.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Golf-Profession­al Joachim Wittmann zeigt einer blinden Spielerin im Golfclub Grafenberg, wie sie am besten Schwung beim Abschlag holt.
RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Golf-Profession­al Joachim Wittmann zeigt einer blinden Spielerin im Golfclub Grafenberg, wie sie am besten Schwung beim Abschlag holt.

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