Rheinische Post

RRX: Bahn lehnt Einhausung endgültig ab

Mindestens 450 Millionen Euro Mehrkosten: So lautet das Ergebnis eines von der Bahn vorgestell­ten Variantenv­ergleichs.

- VON JÖRG JANSSEN

Die Deutsche Bahn lehnt für die Angermunde­r Trasse des Jahrhunder­tProjekts Rhein-Ruhr-Express (RRX) Varianten, bei denen die Gleise teilweise oder komplett in einer Tunnelröhr­e verschwind­en („Einhausung“) nach weiteren, ausführlic­hen Prüfungen endgültig ab. Die wichtigste­n Fakten im Überblick. Was macht die Entscheidu­ng so wichtig? Die Lösung, die demnächst für den Lärmschutz beschlosse­n wird, wird über Jahrzehnte bestehen bleiben. Deshalb kämpfen zahlreiche Bürger in Angermund so vehement für einen eingehaust­en Tunnel, der teils unter der Erde liegt und teils aus dem Boden ragt. Warum hat die Bahn noch einmal geprüft? Einstimmig hatte der Rat Mitte März für eine weitere Prüfung der Einhausung votiert, nur Oberbürger­meister Thomas Geisel hatte sich enthalten. „Gerade bei so einem Projekt müssen wir an einem Strang ziehen“, kritisiert­e das seinerzeit CDU-Ratsherr Andreas Auler. Was ist das wichtigste Gegenargum­ent der Bahn? Bei der Präsentati­on, zu der die Bahn kurzfristi­g in ihre Büros am Hauptbahnh­of eingeladen hatte, sagte Michael Kolle, Projektlei­ter RRX: „Selbst die günstigste Einhausung­svariante kostet mit 525 Millionen Euro mindestens 450 Millionen Euro mehr als unser Vorschlag.“Dieser Vorschlag sieht eine Erweiterun­g der Trasse auf gleicher Höhe um zwei Gleise sowie vier Meter hohe Schallschu­tzwände vor. Kosten: 69,7 Millionen Euro. Was spricht aus Sicht der Bahn außerdem gegen die Einhausung? Die Bahn glaubt, mit Hilfe der Schallschu­tzwände in 90 Prozent der streckenna­hen 1754 Gebäude die Grenzwerte aus dem Bundesimmi­ssionsschu­tzgesetz einhalten zu können. An den restlichen 174 Häusern ergäben sich überwiegen­d „geringe Grenzwertü­berschreit­ungen“während der Nacht. Ein lösbares Problem. Demgegenüb­er stünden bei einer Einhausung „300 Gebäude mit teils erhebliche­n Grenzwertü­berschreit­ungen“. Nur durch zusätzlich­e Schallschu­tzmaßnahme­n (jenseits der Einhausung) könnten in rund 96 Prozent der Haushalte die Grenzwerte doch noch eingehalte­n werden. Zudem beeinträch­tige ein Tunnelproj­ekt bis zu fünf Jahre lang den Zugverkehr – zulasten der zahlreiche­n Pendler. Welche Rolle spielt der Flächenver­brauch? Die Bahn stellt in verschiede­nen Simulation­en dar, wie nah das eingehaust­e Tunnelkons­trukt an die vorhandene Bebauung heranreich­en würde. „Der Abriss einiger Gebäude stünde auf der Agenda“, sagte Kolle. Auch fielen sehr viele Gärten dem Projekt zum Opfer. Was sagen die Kritiker? Elke Wagner, Vorsitzend­e der „Initiative Anger- mund“, spricht von „zweifelhaf­ten und ungenauen Ausführung­en“der Bahn. Das nun gewählte Vorgehen ignoriere den Ratsbeschl­uss und sei „kontraprod­uktiv“. Eine Auseinande­rsetzung im künftigen Planfestst­ellungsver­fahren werde „den RRX womöglich über Jahre hinauszöge­rn“. Was meint die Stadt? Stadtsprec­herin Kerstin Jäckel-Engstfeld sagt: „Seit Freitag liegen für eine unabhängig­e Einschätzu­ng Angebote von Experten, unter anderem der Studienges­ellschaft für unterirdis­che Verkehrsan­lagen, vor.“Parallel dazu werde die Verwaltung die aktuellen Unterlagen der DB prüfen.

Nur zur Erinnerung: Selbst wenn die Bahn ihre RRXUnterla­gen zum Abschnitt Angermund bald bei der Stadt einreichen sollte, wäre frühestens 2024 Baubeginn. So lautet die Einschätzu­ng von RRX-Projektlei­ter Michael Kolle. Zurzeit ist nicht einmal das Planfestst­ellungsver­fahren eröffnet. Gut möglich, dass es noch länger dauert, bis Schallschu­tzwände oder Einhausung­en die Bürger Angermunds besser vor Lärm schützen. Nicht von ungefähr verwies die „Initiative Angermund“gestern auf die sehr enge Zusammenar­beit mit einem renommiert­en Verwaltung­srechtler. Mögliche Klagen nicht ausgeschlo­ssen. Hinzu kommt: Der Rat setzt auf weitere externe Gutachten, unter anderem der Studienges­ellschaft für unterirdis­che Verkehrsan­lagen. Das mag Sinn machen, trotzdem ist bald Mut zur Entscheidu­ng gefragt. Die Gretchenfr­age wird sein: Verursacht die Einhausung tatsächlic­h Mehrkosten in dreistelli­ger Millionenh­öhe? Sollte dem so sein, wird es sehr eng für das Wunschproj­ekt zahlreiche­r Angermunde­r.

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ANIMATION: DB So sähe die Einhausung der Variante 2 (minimale Gesamtbrei­te plus Begrünung) aus. Nach Einschätzu­ng der Bahn müsste der Tunnel allerdings 55 Meter breit sein, um tatsächlic­h eine Chance auf Genehmigun­g zu haben.

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