Neugeborene werden im Schnitt 90
Das Statistische Bundesamt prophezeit neuen Rekord der Lebenserwartung.
WIESBADEN Alle Jahre wird den Deutschen von den Statistikern mitgeteilt, dass sie älter werden als ihre Vorfahren. Jetzt prophezeit das Statistische Bundesamt einen neuen Rekord in der Lebenserwartung: 90 Jahre könnte ein Mann demnach durchschnittlich alt werden, wenn er jetzt zur Welt kommt, 93 Jahre sogar eine Frau. Grundlage der Schätzung sind neue Modellrechnungen der Statistiker. Sie basieren auf den sogenannten Kohortensterbetafeln der Geburtsjahrgänge von 1871 bis 2017.
Freilich müssen für die Erlangung des Rekorddurchschnitts ein paar Bedingungen erfüllt sein. Wichtigste Voraussetzung ist, dass sich die Lebensverhältnisse wie bisher weiterentwickeln. Kriege und Seuchen dürfen nicht eintreten, unser Wohlstand und unser Gesundheitsbewusstsein möge uns erhalten bleiben oder sogar steigen. Vor allem wird sich die moderne Medizin weiterentwickeln. Medikamente werden immer potenter, chirurgische Eingriffe immer raffinierter und nebenwirkungsärmer. Vor allem die Therapie von Herzkreislauf- und Krebserkrankungen, die immer noch für die meisten Todesfälle ver- antwortlich sind, wird immer besser. Auch solche Optimierungen haben die Statistiker einkalkuliert. Gleichwohl wissen sie, dass Krankheiten nicht ausbleiben; und je älter der Mensch wird, desto kränker wird er.
Experten bezweifeln, dass die Menschen auf ein solches Alter vorbereitet sind. „Die Deutschen unterschätzen ihre Lebenserwartung“, sagte Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft. Neben mehr Aufklärung zur Lebenserwartung fordern die Versicherer vor allem, Arbeitnehmer nicht starr mit 63, 65 oder 67 Jahren in Rente zu schicken, sondern die Altersgrenze flexibel zu machen.
Experten bezweifeln, dass die Menschen auf solche Aussichten vorbereitet sind
Die gute Nachricht lässt manchen erschrecken. Die Babys von heute haben die höchste Lebenserwartung aller Zeiten: 90 plus. Der Jahrgang 2017 hat somit beste Aussichten, das 22. Jahrhundert zu erreichen. Wie aber werden dann die Alten leben? Wie müssen sich gesellschaftliche Strukturen verändern? Wer aus der Perspektive heutiger Senioren auf die Zukunft der Urenkel schaut, mag sich zu Recht sorgen. Eine noch ältere Bevölkerung will betreut, gepflegt, versorgt – letztlich finanziert werden.
Schon heute stößt unsere Gesellschaft bei der angemessenen Betreuung von Alten und Kranken an Grenzen. Auf die Jüngeren kommt neben der wirtschaftlichen auch eine gewaltige emotionale Herausforderung zu. Fürsorge überfordert viele.
Alt werden ist schön, alt sein will keiner. Mein Vater sagt das. Er ist 89 Jahre alt. Wenn er sich beklagt, dann darüber, dass unsere Gesellschaft die Alten vor allem als Belastung empfindet. Er will niemandem zur Last fallen. Er möchte, dass möglichst viele möglichst lange selbstbestimmt leben können. Dafür aber muss sich noch viel, sehr viel ändern. BERICHT