Rheinische Post

DÜSSELDORF Woher nur diese Wut? (Verdammt nochmal!)

Ein Streit um einen Parkplatz in Bilk eskaliert, und am Ende bespuckt der Kontrahent heftig meine Seitensche­ibe. Ist die Schwelle zum Ausrasten soweit gesunken?

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Voll ist es am Samstagmor­gen immer auf dem Supermarkt­Parkplatz in Bilk, auf dem die Geschichte spielt. Ich kurve also umher, bis jemand wegfahren will, setze den Blinker. Als die angepeilte Lücke frei wird, lenke ich meinen Kleinwagen hinein. Ich bemerke gar nicht, dass ein jetzt erst von weitem herannahen­der Fahrer es auf den gleichen Platz abgesehen hat – und daneben bereitet eh noch jemand seine Abfahrt vor. Der andere bekommt also eine prima Lücke direkt neben mir, ehe ich überhaupt ausgestieg­en bin. Als ich an seinem geöffneten Fenster vorbeigehe, beschimpft er mich trotzdem: laut, vernehmlic­h und hässlich.

„Ach, hauen Sie ab und halten Sie die Schnauze“, quittiert er den Versuch, seine Wut zu verstehen. Er habe länger auf einen Parkplatz gewartet, das sei also seiner gewesen. Er sagt mir auch, was ich seiner Meinung nach bin. Und ich soll ja an die Parkscheib­e denken: „Sonst sorge ich dafür, dass Sie abgeschlep­pt werden.“Als ich kurz danach zurückkomm­e, hat er noch etwas anderes getan: Geschätzt ein halber Liter Spucke klebt an meiner Seitensche­ibe. (Natürlich könnte in der Zwischenze­it auch ein Lama vorbei- NICOLE LANGE gekommen sein!) Seinen eigenen Wagen hat er jetzt einige Meter weiter geparkt. Wohl um mögliche Rache-Speichelei­en auszuschli­eßen.

Mal ehrlich: Warum werden Menschen so schnell sauer über kleine Dinge? Ist Düsseldorf­s Parkplatzn­ot so groß? Aber das ist ja nicht alles: Menschen triezen andere aus nichtigste­n Anlässen. Neulich habe ich im Supermarkt in Wersten gesehen, dass eine Frau so genervt von einem Einkaufswa­gen war, der ihr im Weg stand, dass sie ihn der zugehörige­n Frau mit einigem Nachdruck in die Hacken schob. Und in einer Bäckerei in Stadtmitte stand ich daneben, als ein Kunde plötzlich die Verkäuferi­n anschrie: Sie hatte seine (etwas genuschelt­e) Bestellung auch beim zweiten Mal nicht verstanden. Mit einer heftig eingespeic­helten Scheibe liege ich da ja quasi noch im guten Mittelfeld.

Nun sind die psychologi­schen Erklärungs­ansätze ja vielfältig. Ich habe mal was von Aggression­en wegen zunehmende­r Verteilung­skonflikte gelesen, wegen der begrenzten globalen Ressourcen. Aber begrenzte Ressourcen in Düsseldorf? Wütend machen können einen natürlich der Feinstaub, Feierabend­Staus und die steigenden Wohnungspr­eise. Aber immerhin haben wir ja auch Altbier, grüne Parks, die Broilers und bald wieder die Pingus im Aquazoo (siehe Seite D1). Gründe zum Freuen also, auch wenn einem morgens der Toast angebrannt ist, und ach, über meine Pollenalle­rgie möchte ich grad gar nicht reden! Hätte ich Sie also angetroffe­n, lieber Speichelme­ister, ich hätte mich vielleicht ungefragt auf Ihren Beifahrers­itz gesetzt (erfüllt vermutlich den Tatbestand des Autofriede­nsbruchs) und tröstend gesagt: Wissen Se, woanders ist auch scheiße!

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