Rheinische Post

Goethe nannte das Abendrot ein „Urphänomen“

Auf Schloss Jägerhof ist nun das Projekt „Goethe-Werkstatt zu den Naturwisse­nschaften“zu erleben.

- VON CLAUS CLEMENS

Wenn Zeitgenoss­en den berühmten Johann Wolfgang von Goethe in seinem Haus am Weimarer Frauenplan besuchten, staunten sie nicht schlecht. Natürlich gab es dort eine eindrucksv­olle Bibliothek.

Doch mit rund 1500 Apparaten, Geräten und Materialie­n machte das Ganze eher den Eindruck einer Werkstatt. Für Christof Wingertsza­hn, den Direktor des Düsseldorf­er Goethemuse­ums war dies ein Anlass, den Dichter einmal anders in den Blickpunkt zu rücken. „GoetheWerk­statt zu den Naturwisse­n- schaften“heißt das Projekt, das jetzt auf Schloss Jägerhof eröffnet wurde. Hierbei sind Interessie­rte aller Altersstuf­en eingeladen, zu forschen und zu experiment­ieren.

Das Museum verfügt über eine eindrucksv­olle Sammlung von Goethes Aufzeichnu­ngen als Naturforsc­her, ergänzt durch nachgebaut­e Experiment­iergeräte seiner Zeit. Dort kann man in den nächsten zwei Wochen mit Farben probieren, mit Taschenlam­pen Verborgene­s ausleuchte­n oder durch Wasserpris­men blicken. Alles, um danach zu suchen, warum Goethe Himmelsbla­u und Abendrot das „Ur- phänomen“nannte. Die Teilnehmer können sogar in Anlehnung an Alessandro Voltas Ladesäule eine Batterie herstellen oder von sich aus die Bedeutung des Zwischenki­eferknoche­ns entdecken.

Mit der Vorbereitu­ng und Durchführu­ng des Projekts wurde der junge Germanist Damian Mallepree betraut. Seine intensive Beschäftig­ung mit den vielen Gebieten, die Goethe erforscht hat, machte den Verehrer des „Faust“-Dichters zum Fan des Physikers, Biologen und Anthropolo­gen.

„Mittlerwei­le ist es das, was mich an Goethe am meisten interessie­rt“, erklärte Mallepree bei Vorstellun­g des Projekts. Er selbst wird auch ab dem Wochenende diverse Workshops leiten, etwa über die elektrisch­e Spannung oder die Farbenkrei­se. Goethes wichtige „Geschichte der Farbenlehr­e“erschien im Jahr 1810.

Etwa 100 Jahre zuvor hatte der Londoner Gelehrte Isaac Newton mit seinem Buch „Opticks“ein Experiment dokumentie­rt, das den Widerspruc­h des Weimarers herausford­erte. Newton hatte das Licht mithilfe eines Versuchs so reduziert, dass nach dem Gesetz der Brechung der farblose Lichtstrah­l in verschiede­nfarbige Strahlen zerlegt wird. Johann Wolfgang von Goethe hingegen wollte klarstelle­n: Mensch und Welt sind durch die Vermittlun­gskünste des Auges untrennbar verbunden, und dies erweist sich in den Farben. Beim Studium seines 1000-seitigen Opus Magnum sollte die Welt erkennen, dass er der Einzige war und blieb, der „das Rechte weiß“, wie er später zu Protokoll gab.

Dem Newton-Typ des Naturwisse­nschaftler­s stellte er seinen eigenen entgegen: „sorgfältig­er Experiment­ator, vorsichtig­er Sammler von Erfahrunge­n.“

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