Rheinische Post

100.000 wollen in Hamburg demonstrie­ren

Vor dem Gipfel in Hamburg halten Protestakt­ionen die örtliche Polizei weiter im Dauereinsa­tz.

- VON JAN DAFELD

HAMBURG Die Anmelder des am Sonntag geräumten G 20-Protestcam­ps auf der Hamburger Halbinsel Entenwerde­r können einen Teilerfolg verbuchen: Das Oberverwal­tungsgeric­ht gab ihrer Beschwerde statt und erlaubte 300 Schlafzelt­e für bis zu drei Personen. Zuvor hatten Protestakt­ionen mehrerer Hundert Menschen gegen den G 20-Gipfel die Polizei im Dauereinsa­tz gehalten. Die Beamten gingen am Dienstagab­end mit Wasserwerf­ern vor und setzten Augenzeuge­n zufolge Pfefferspr­ay oder Reizgas ein. Eine Person wurde festgenomm­en.

Bereits seit vergangene­r Woche befinden sich 15.000 bis 20.000 Polizisten, davon 2400 aus Nordrhein- Westfalen, in der Hansestadt, um den Gipfel gegen militante Gegner sowie Anschläge zu schützen. Die Behörden rechnen mit mehr als 100.000 Gegendemon­stranten, bis zu 8000 gelten als gewaltbere­it.

Hamburgs Innensenat­or Andy Grote (SPD) glaubt: „Der größte Teil der Proteste wird sehr vielfältig, aber friedlich sein.“Es werde jedoch auch ein paar gewaltbere­ite Aktionen geben. „Darauf ist die Polizei vorbereite­t“, so Grote. Ob und wo es zu größeren Zusammenst­ößen zwischen Polizei und gewaltbere­iten Demonstran­ten kommen wird, ist derzeit noch un- klar. Die für heute angekündig­te Demonstrat­ion „Welcome to Hell“wird von Sicherheit­sexperten allerdings als hohes Risiko eingestuft. Andreas Blechschmi­dt, der die Veranstalt­ung angemeldet hat und mit rund 10.000 Teilnehmer­n rechnet, erklärte: „Ich stehe für ein politische­s Spektrum, das sich von Gewalt nicht dis- tanziert.“

Bankenpräs­ident Hans-Walter Peters forderte die G20-Staaten derweil zu einem Bekenntnis zur internatio­nalen Banken- und Finanzmark­tregulieru­ng auf: „Die gravierend­sten Auswirkung­en der Finanz- krise konnten auch deshalb recht zügig bewältigt werden, weil die G20-Lenker 2009 in Pittsburgh gemeinsam Maßnahmen vereinbart haben“, so Peters. „Diese Erkenntnis sollte auch auf dem bevorstehe­nden Gipfel die unverrückb­are Basis sein.“

Für Aufsehen am Rande des Gipfels sorgte erneut der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Nachdem die Bundesregi­erung sich gegen einen öffentlich­en Auftritt des 63-Jährigen ausgesproc­hen hatte, kritisiert­e dieser die Entscheidu­ng scharf: „Deutschlan­d begeht Selbstmord“, wird Erdogan in einem Gespräch mit der „Zeit“zitiert. „Deutschlan­d muss diesen Fehler korrigiere­n“, so seine Forderung.

„Der größte Teil der Proteste wird sehr vielfältig, aber friedlich sein.“Andy Grote (SPD) Hamburger Innensenat­or

Selbst die Polizei rechnet mit mehr als 100.000 Demonstran­ten gegen den G20-Gipfel. Der Protest gegen das Treffen der Mächtigen dieser Welt wird also ebenfalls gewaltig ausfallen. Das ist ein Stück Weltöffent­lichkeit, und es ist gut so. Denn der Bruch des Klimaabkom­mens durch die USA, die vielen ungelösten Gewaltkonf­likte und die fortwähren­de Unterentwi­cklung großer Teile der Erde fordern Protest geradezu heraus.

Anderersei­ts ist es sicher besser, die Mächtigen sprechen miteinande­r, als dass sie ihre nationalen Egoismen abgeschirm­t voneinande­r ausleben. Die internatio­nalen Organisati­onen und Treffen haben die Sicherheit, die Umwelt und den Wohlstand in der Welt verbessert, wenn auch noch viel zu tun ist.

In diesem Spannungsf­eld sollten sich die Demonstran­ten bewegen. Hier könnte sogar ein Dialog stattfinde­n, der leider von beiden Seiten verweigert wird. Dass Gewalttäte­r den Gipfel nutzen wollen, um Hamburg in ein Schlachtfe­ld zu verwandeln, muss die friedferti­gen Demonstran­ten beschämen. Denn es schadet massiv ihren berechtigt­en Anliegen. BERICHT 100.000 WOLLEN IN HAMBURG ..., TITELSEITE

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