Rheinische Post

Heute Entscheidu­ng über Kanalnetz

Das Ampel-Bündnis will festschrei­ben, dass die 599 Millionen Euro nur für Schulen und Bäder genutzt werden. Die CDU kritisiert den Deal.

- VON ARNE LIEB UND UWE-JENS RUHNAU

Der Stadtrat wird heute den größten Finanz-Deal seit vielen Jahren auf den Weg bringen. Das Ampel-Bündnis aus SPD, Grünen und FDP sieht in der Übertragun­g des Kanalnetze­s einen geschickte­n Weg, an viel Geld für Investitio­nen zu kommen. CDU und Linke lehnen das Geschäft ab. Die wichtigste­n Infos: Worum geht es? Der Stadtrat wird heute aller Voraussich­t nach seiner Zustimmung zu einer großen und komplizier­ten Transaktio­n geben, die sich innerhalb des Stadt-Konzerns abspielt: Die Stadt überträgt das Kanalvermö­gen an ihre Tochterfir­ma für das Abwasser, den Stadtentwä­sserungsbe­trieb. Dieser zahlt 599 Millionen Euro in die Stadtkasse. Dafür gehen 1400 Kilometer Kanäle, die beiden Klärwerke und anderes Vermögen in seinen Besitz über. Um das Geschäft zu finanziere­n, nimmt der Betrieb einen Kredit bei einem Geldinstit­ut auf, der mit bis zu 1,9 Prozent im Jahr verzinst wird. Wozu dient das Geschäft? Die Rücklagen der Stadt sind aufgebrauc­ht, SPD, Grüne und FDP brauchen Kapital. Sie kündigen an, es für Investitio­nen vor allem in Schulen und Bäder zu nutzen. „Wir müssen die Schulen jetzt bauen und können nicht warten, bis wir das Geld angespart haben“, sagt Norbert Czerwinski (Grüne). Grüne und FDP verweigern aber, dass die Stadt ihre Investitio­nen durch Kredite finanziert. Also wurde ein anderer Weg gesucht – der den Frieden im Bündnis rettet. Politisch ist das Geschäft noch aus anderem Grund bequem: Die Bürger merken nichts. Die Abwasserge­bühren werden nicht steigen, da der Betrieb im Gegenzug keine Pacht mehr zahlen muss. Ist das Verspreche­n der Schuldenfr­eiheit damit gebrochen? Das ist politisch eine entscheide­nde und umstritten­e Frage. Die CDU meint: ja. Sie sieht nur eine Verschiebu­ng der Schulden. „Es geht nur darum, dass die Ampel weiterregi­eren kann“, sagt Fraktionsc­hef Rüdiger Gutt. FDP-Chefin MarieAgnes Strack-Zimmermann müsste eigentlich die Zusammenar­beit mit SPD und Grünen beenden, da sie gesagt habe, sie werde Schulden im Kernhausha­lt oder verlagerte Kredite zu Stadttöcht­ern nicht dulden. Die Liberalen sehen das anders. Sie verweisen darauf, dass das Geschäft wirtschaft­lich sinnvoll sei. „Der Betrieb erwirtscha­ftet selbst das Geld, um seine Schulden zurückzuza­hlen“, sagt Manfred Neuenhaus. Bei Krediten im Kernhausha­lt sei das anders – die müsse die Stadt tilgen. Die Linken verweigern ebenfalls ihr Ja, da sie versteckte Schulden beklagen. Auch bei externen Experten ist das Geschäft umstritten. Rüdiger Goll, Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter des Unternehme­ns Industrie Consult, sieht das Verlagern von Schulden „aus optischen Gründen“. Nur, wenn die Einnahmen investiert würden, stünden den Ausgaben Werte entgegen. Wofür wird das Geld verwendet? Das Ampel-Bündnis beteuert, es werde nicht zum Stopfen von Löchern aufgebrauc­ht. Das Bündnis wird heute wohl einen Antrag einbringen, der festlegt, dass der Betrag ausschließ­lich für Investitio­nen verwendet werden darf – ein Signal an die Kritiker. „Das ist kein Geld für Konsum“, sagt Markus Raub (SPD). Er wirft der Union vor, selbst keine Ideen zur Finanzieru­ng drängender Investitio­nen vorgelegt zu haben. Darüber, dass das Geld wie angekündig­t verwendet wird, wird wohl auch die Bezirksreg­ierung wachen: Sie will der Übertragun­g nur zustimmen, wenn die Stadt dafür investiert. Die CDU bezweifelt hingegen, dass viel Geld für den Schulbau übrig bleibt, da die Einnahme bereits in den laufenden Haushalt eingebucht seien. „Die Frage ist, wie OB Geisel die Maßnahmen in den nächsten Jahren finanziere­n will“, so Fraktionsv­ize Andreas Hartnigk. Sind die Finanzsorg­en erledigt? Nein. Das hartnäckig­ere Problem liegt woanders: Düsseldorf erwirtscha­ftet in jedem Jahr ein dickes Minus, die Rede ist von einem strukturel­len Defizit von 100 Millionen Euro. Das zehrt die Rücklagen auf. Die Ampel hat angekündig­t, dies zu ändern. Der Rat hat dazu eine Kommission gegründet, an der auch die CDU mitwirkt. Alle Beteiligte­n haben aber Angst, den ersten Schritt zu machen – aus Sorge vor einem Aufschrei, der dem Gegner nutzt. Nach der Bundestags­wahl im September könnte das anders werden.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Düsseldorf­s Kanäle haben bald einen neuen Besitzer: Die Stadt überträgt sie einer eigenen Tochterfir­ma.

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