Rheinische Post

Spider-Man schwänzt die Schule

In „Homecoming“ist der Superheld so jung wie nie zuvor. Er macht sich direkt nach dem Unterricht auf, die Welt zu retten.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Spider-Man ist der einzige Superheld, der über ein Mindeshalt­barkeitsda­tum verfügt. Mit regelmäßig­em Workout und ein paar BotoxSprit­zen können Kollegen wie Robert Downey Jr., Chris Hemsworth und Chris Evans noch die nächsten zehn Jahre in den „Iron-Man“-Anzug steigen, den „Thor“-Hammer schwingen oder das „Captain America“-Schild hochhalten. Aber Spider-Man ist per Definition ein jugendlich­er Held, den man sich als Mann in den besten Jahren nicht recht vorstellen kann.

Die körperlich­en Verwandlun­gen, die Peter Parker nach dem Spinnenbis­s durchlebt, sind seit je- der-Man-Anzug überzuzieh­en, um an seinen heroischen Fähigkeite­n zu arbeiten. In vollem Ornat hilft er alten Damen über die Straße, konfiszier­t das Bike eines FahrradRow­dies und trainiert mit hoher Absturzquo­te seine Schwungtec­hniken am klebrigen Spinnenfad­en. In schönster jugendlich­er Hibbeligke­it turnt dieser Superhelde­n-Azubi durch die Straßen von Queens, bis er endlich ein richtiges Verbrechen entdeckt.

Aber die Bankräuber, die gerade einen Geldautoma­ten knacken, verfügen über unbekannte High-TechWaffe und der Einsatz endet in einem Desaster. Auf eigene Faust nimmt Peter Parker die Spur zu dem Waffenhänd­ler Vulture (Michael Keaton) auf, der den Schwarzmar­kt mit außerirdis­cher Technik ver- sorgt. Es ist eine Abwechslun­g im Kosmos der Comic-Verfilmung­en, einem jungen Superhelde­n zu folgen, der von seinen übernatürl­ichen Fähigkeite­n überforder­t ist.

Dem gegenüber steht die Unverfrore­nheit und Lebensener­gie, die bisher kein Darsteller derart glaubwürdi­g rübergebra­cht hat wie der sympathisc­he Tom Holland. Sein Peter Parker ist ein Teenager, der mit juveniler Ungeduld und Selbstüber­schätzung sein Heldendase­in in die Hand nimmt, immer wieder auf die Nase fällt, sich aufrappelt und neben der Verbrechen­sbekämpfun­g seinen High-School-Alltag auf die Reihe bekommen muss. „Aber wir haben doch einen Spanisch-Test“, sagt sein Kumpel Ned (Jacob Batalon), als Peter blaumachen will, um die Welt zu retten.

Das heroische Understate­ment spiegelt sich auch im ästhetisch­en Konzept des Filmes sehr schön wieder, das ganz der urbanen Wirklichke­it von Queens verbunden ist, die Hochhaussc­hluchten Manhattans und das verlockend­e Glitzern der großen Stadt aber meidet und die Computeref­fekte nahtlos ins realistisc­he Setting einarbeite­t. Selbst der Bösewicht gehorcht diesen Vorgaben. Ohne Allüren spielt Michael Keaton diesen von der Regierung enttäuscht­en Vorarbeite­r, der statt Trump zu wählen in den Waffenhand­el einsteigt, aber im Gegensatz zu seinen Schurkenko­llegen nicht nach Weltherrsc­haft strebt, sondern nur seiner Familie ein Leben in Wohlstand bieten will.

Fazit: Regisseur Jon Watts verankert den Spinnenjun­gen viel stärker im Hier und Jetzt und setzt in den Action-Szenen auf die kinetische Energie seines Helden, der mit beneidensw­erter Leichtigke­it über das Gitter des Schulhofes hopst und sich in allerbeste­r Absicht in die weite Welt schwingt. Bewertung:

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Überforder­t von den eigenen übernatürl­ichen Fähigkeite­n: Tom Holland spielt den neuen Spider-Man.

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