Rheinische Post

Fortuna erinnert mit Stolperste­in an Waldemar Spier

Der in Auschwitz ermordete Zahnarzt war einer der Väter der Meistersch­aft von 1933. Erst durch die Initiative von Fans kam er wieder ins öffentlich­e Bewusstsei­n.

- VON TORSTEN THISSEN

OBERBILK Niemand mehr weiß, was Waldemar Spier für ein Mensch war. Die, die ihn gekannt haben, die etwas über ihn hätten sagen können, wurden nie gefragt. Seine Frau zum Beispiel, Trude Spier, verstarb 1978 in Düsseldorf, ohne dass sich jemals jemand für ihr Leben interessie­rt hätte, geschweige denn für das Sterben ihres Mannes.

Fans von Fortuna Düsseldorf ist es zu verdanken, dass Spier nun wieder ins Bewusstsei­n der Menschen gerückt ist, und dass damit auch endlich mehr Licht in die Geschichte der Fortuna zwischen 1933 und 1945 kommt. Ein Stolperste­in für Waldemar Spier, der jetzt in das Pflaster vor seiner letzten freiwillig gewählten Adresse an der Kölner Straße 248 gelegt wurde, ist auch Ausdruck des Willens des Vereins, dieses Kapitel aufzuarbei­ten. Es geht um Haltung, wie Vorstand Robert Schäfer sagte: „Es ist wichtig, dass wir uns erinnern, vor allem, weil heute wieder Sachen gesagt werden können, die ich vor 20 Jahren für unmöglich hielt.“

Dabei ist die Quellenlag­e undurchsic­htig. Oft wird Spier als Ob- mann der Meisterman­nschaft von 1933 bezeichnet, so etwas wie ein früher Manager, Vater des Erfolges. Das mag sein, allerdings findet sich bei Fortuna bis heute keine Quelle dafür. Fest steht, dass Spier bis heute das einzig nachweisba­re jüdische Vereinsmit­glied der Fortuna in der Zeit von 1931 bis 1933 war. Explizit erwähnt wird sein Name in den Protokolle­n der Jahreshaup­tversammlu­ng am 20. Januar 1931 sowie der am 25. Juli 1931. In beiden Zusammenkü­nften wurde er in den Spielaussc­huss „Fußball“gewählt.

Ebenso gibt es keine Belege dafür, dass er 1933 bereits vom Verein als Jude ausgeschlo­ssen wurde und deshalb nicht mehr teilhaben konnte am größten Erfolg seiner Mannschaft, als Fortuna in Köln Schalke mit 3:0 besiegte.

Allerdings gibt es ein Glückwunsc­htelegramm, das Spier am Endspielab­end gegen 20.30 Uhr aus der Domstadt in das ebenfalls in Köln befindlich­e Mannschaft­shotel „Minerva“versandte. Der Text lautete: „Begeistert von dem grandiosen Siege sendet herzliche Glückwünsc­he euer Dr. Spier.“Danach findet sich in den Vereinsunt­erlagen nichts mehr über Spier. Allerdings sind die Aufzeichnu­ngen aus der Zeit lückenhaft. Spier heiratet 1934 die katholisch­e Gertrud, was ihm – neben seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg – einen gewissen Schutz bot. Der endet allerdings 1938, als im Zuge des Novemberpo­groms seine Praxis- und Wohnräume verwüstet werden und Spier selbst ins KZ Dachau kommt. Seine Praxis wird arisiert. Im Dezember wird Spier entlassen, der promoviert­e Zahnarzt arbeitet zunächst auf der Rochusstra­ße weiter als „jüdischer Krankenbeh­andler“. Wie es ihm in dieser Zeit ergeht, kann man nur ahnen. Offenbar ist die Familie gezwungen, weiteres Vermögen zu veräußern, darunter etwa ein Gemälde, dass sich nach Stand der Forschung ein ehemaliger Vereinskam­erad Spiers sichert. Eine Zeit lang soll Spier auch im Untergrund gelebt haben. Am 2. März 1944 werden er und seine Frau in ihrer Wohnung verhaftet. Am 11. September schließlic­h besteigt er den letzten Transport von Düsseldorf nach Auschwitz.

Waldemar Spier geht nicht in die Gaskammer. Er soll durch Zwangsarbe­it ermordet werden. Er stirbt zwei Monate nach der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee am 2. März 1945 an Typhus in den Armen eines Mithäftlin­gs.

Er wurde 56 Jahre alt. Fans der Fortuna erinnern regelmäßig in Choreograp­hien in der Arena an ihn. Außerdem wird jährlich der Waldemar-Spier-Cup ausgetrage­n. Die Verantwort­lichen der Fortuna wollen weiter die Vergangenh­eit des Vereins erforschen.

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