Rheinische Post

Heiter bis wolkig

Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum präsentier­t 20 Wetterbild­er aus dem Goldenen Zeitalter des holländisc­hen Barock.

- VON ALEXANDRA WACH

KÖLN Holländisc­he Maler hatten ein Faible für den Himmel. Dabei erwiesen sie sich als so genaue Beobachter, dass man von ihren Werken noch heute das damalige Wetter ablesen kann. Manchmal allerdings haben sie ganz bewusst ein wenig geschummel­t.

Ein Sturm sieht anders aus. Hoch am dunklen Himmel braut sich zwar etwas zusammen. Aber der Mond ignoriert das Geschehen und hält, tief über dem Wasser hängend, Stellung. Sein Licht durchdring­t die Wolken, trifft auf die ruhige Wasserober­fläche. Der Schaum der sanften Mühlen runtergeht. Die Kühe im effektvoll ausgeleuch­teten Vordergrun­d lässt das Spektakel leidenscha­ftslos. Müde von den heißen Sommertage­n bleiben sie liegen und schauen zu, wie das Getöse an ihnen vorüberzie­ht. Die Bewohner der Stadt mit der imposanten Kirche hinter ihnen nehmen den ungebändig­ten Einbruch der Naturkräft­e wahrschein­lich weniger gelassen hin. Sie wissen aus Erfahrung, wie schnell die elektrisch­en Entladunge­n ein Feuer verursache­n können. Vielleicht holt deshalb niemand das Vieh von der Weide heim.

„Gewitter über Dordrecht“ist das einzige Bild, das nicht aus der hauseigene­n Sammlung stammt. Nein, im bescheiden­en Hintergrun­d bleiben meteorolog­ische Phänomene hier nicht mehr. Das Wetter ist kein schmückend­es Beiwerk, sondern Akteur und zugleich auch das entscheide­nde Tor zu einem narrativ aufgeladen­en Bühnendram­a, wie etwa auch auf Jan Theunisz Blanckerho­ffs Beitrag „Bewegte See vor der Küste“, der sich dann doch an einem Sturm ergötzt. Der Wind zwingt die Segel eines Schiffs beinahe in die Knie. Bevor es so weit ist, suchen die Seeleute mit ihrer Ladung hektisch das Weite. Eigentlich eine Alltagssze­ne, die mitten hinein führt in eine filmreife Eskalation.

Der „Strand mit Fischhändl­ern“, den Simon de Vlieger ins Visier nimmt, lässt die Gemüter wieder zur Ruhe kommen. Er entführt in eine typisch niederländ­ische Landschaft mit reichlich Sand und weiten Dünenhügel­n. Ist ein Ort wie dieser heute vor allem von Sonnenanbe­tern im Urlaubsmod­us belagert, dient er de Vlieger noch als Treffpunkt für profanen Tauschhand­el. Die Nachfrage nach frischem Fisch ist groß, trotz der bedrohlich­en Wolkenform­ationen, die sich über der Menge mit den Körben und Pferdekarr­en ausbreiten.

Nicht weniger groß war damals auch die Nachfrage des aufblühend­en Bürgertums nach Landschaft­sbildern. Es herrschte ein regelrecht­er Boom, der unter den konkurrie- renden Malern des Goldenen Zeitalters den Ehrgeiz anstachelt­e. Menschenle­ere Stadtpanor­amen inmitten von Feldern und Wäldern stiegen im 17. Jahrhunder­t zum bildwürdig­en Sujet für Heimatlieb­ende auf. Und weil es irgendwann so viele von ihnen gab, konnte etwas Wetterwirb­el nicht schaden.

Bei dem noch im 16. Jahrhunder­t geborenen Marten Rijckaert aus Antwerpen ist es eine mythologis­che Fährte, die für Nervenkitz­el sorgen soll. Der vom Sonnenrad ins Meer stürzende Ikarus rast in den Tod, während sich unter ihm eine Landschaft auftut und Bauern seinen Niedergang mit offenen Mündern bestaunen. Solch unrealisti­sche Dramaturgi­e wurde ein Jahrhunder­t später belächelt, boten doch Maler wie Dirck Stoop längst fotografis­ch genaue Ausflüge in den Süden an. Die „kleine Eiszeit“geizte nicht mit klirrenden Temperatur­en. Der Süden war Verheißung auf ein bisschen Wärme. Stoops „Mittelmeer­hafen“versetzt den Betrachter ins quirlige Geschehen. Ein Hund springt aus dem rechten Bildrand, ein Reiterpaar begutachte­t neben ihm die Architektu­r der Hafenfestu­ng. Auf den Schiffen wehen Flaggen aus aller Herren Länder, weswegen dunkelhäut­ige Gestalten mit Turban nicht weiter auffallen. Noble Kutschen warten auf die Ankunft von neuen Waren. Oder brechen die feinen Leute vielleicht zu einem Trip in die Ferne auf?

Ohne Wolken kommt auch dieses Bühnenstüc­k nicht aus. Sie sind wohlgenähr­t, bewegungsf­reudig und bereit zum stillen Rückzug. Jeden Moment kann die Sonne die Oberhand gewinnen und die Himmelskon­traste hinter sich lassen. Der Weg ist dann frei in eine nüchtern betrachtet­e, aufregend fremde Welt.

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