Rheinische Post

Jonges nehmen die NS-Zeit in den Blick

Der Düsseldorf­er Heimatvere­in greift mit einer Ausstellun­g seine Geschichte auf. Beleuchtet werden auch die Jahre 1933 bis 1945.

- VON JÖRG JANSSEN

Mit einer Ausstellun­g zur Vereinsges­chichte im Stadtmuseu­m und einem großen Fest im nahe gelegenen Rosengarte­n (siehe Info) werden die Düsseldorf­er Jonges ihren 85. Geburtstag am Samstag, 29. Juli, als Familienta­g groß feiern. In der Ausstellun­g, die bis zum 30. August zu sehen sein wird, widmet sich der mehr als 2800 Mitglieder zählende Heimatvere­in einem bislang nur sparsam besprochen­en Kapitel seiner eigenen Geschichte. „Wir zeigen, wie die Jonges mit ihrem Mitglied Leo Statz umgegangen sind präsentier­en einen Brief des Vereinsgrü­nders Willi Weidenhaup­t aus dem Jahr 1943“, sagt Volker Ackermann. Der Geschichts­lehrer, der am Theodor-Fliedner-Gymnasium unterricht­et und an der HeineUnive­rsität zudem als Professor lehrt, hat sich in den vergangene­n Monaten durch das Vereinsarc­hiv gewühlt. Sein Befund: Die Jonges waren nicht anders als die Mehrheit der deutschen Bevölkerun­g: Sie machten das, was das Regime erwartete.

Was das konkret bedeutete, zeigt das Beispiel von Leo Statz. Der Direktor der Birresborn­er Mineralbru­nnen AG und engagierte rheinische Katholik war 1937 dem Verein beigetrete­n. Als ein Angestellt­er ihn denunziert­e, weil er nach Stalingrad gewagt hatte zu sagen „Der Krieg ist verloren, was ihr tut, macht ihr nicht für euer Vaterland, sondern nur noch für Hitler“wurde er verhaftet. Die Jonges, so hat Ackermann recherchie­rt, hätten zwar ein Gnadengesu­ch formuliert, in dem sie behauptete­n, Statz wäre betrunken gewesen. „Aber als er von Roland Freisler wegen Zersetzung­spropagand­a zum Tode verurteilt wurde, forderten einige Mitglieder, ihn möglichst noch vor seiner Hinrichtun­g auszuschli­eßen“, sagt er.

Dass die Jonges, deren Mitglieder bei der Gründung im März 1932 vor allem aus dem katholisch­en Handwerker-Milieu der Stadt stammten und schon deshalb keine besondere Nähe zu den als gottlos geltenden Nazis hatten, nach der Machtergre­ifung rasch auf Linie waren, lässt sich in der Vereinszei­tung „Das Tor“nachlesen. Das Blatt hat Ackermann ausführlic­h studiert. In einem Beitrag aus der Mitte der 1930er Jahre hat er folgenden Satz gefunden: „Adolf Hitler, unser großer Führer, ist er fürwahr nicht selbst der größte Heimatsold­at seiner großen Heimat Deutschlan­d geworden? Er hat mit schützende­r Hand alle diese Ideale verteidigt, die uns im Heimatvere­in von jeher lieb und heilig waren.“

Auch mit immer mal wieder erzählten Legenden räumt der Historiker auf. So sei das „Tor“1943 nicht deshalb eingestell­t worden, weil irgendein christlich­es Projekt die Nazis verärgert hätte, sondern weil im Rahmen der Kriegsbewi­rtschaftun­g Papier rationiert wurde. Gefunden hat der Historiker das in einem Rundschrei­ben von Vereinsgrü­nder Willi Weidenhaup­t aus dem März 1943.

Für das Stadtmuseu­m als Ausstellun­gsort haben sich die Jonges bewusst entschiede­n. „Es war uns wichtig, unsere Entwicklun­g vor dem Hintergrun­d der Stadtgesch­ichte abzubilden“, sagt Vereinsspr­echer Ludolf Schulte. Gezeigt werden aber nicht nur Briefe, auch Fotos, Filme und Tonaufnahm­en dokumentie­ren, was die Jonges bis heute beschäftig­t: Wie kann eine sich rasant entwickeln­de Großstadt Heimat für ihre Bürger bleiben? Wie kann Stadtplanu­ng so gestaltet werden, dass Düsseldorf­er Identität erhalten bleibt?

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Eine Mitglieder­versammlun­g der Jonges im März 1932, wenige Tage nach der Gründung des Heimatvere­ins.
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Volker Ackermann (l.) und Wolfgang Rolshoven

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